Zeit des Lavendels (German Edition)
Hastig blickte sie sich in der kleinen Kammer um. Alle Sachen von Konz, die Genoveva gewaschen, geflickt und sauber gefaltet auf die Truhe gelegt hatte, waren verschwunden.
Ein eisiger Schreck ging Katharina durch Mark und Bein. Sie wusste, es war vergeblich, im Haus nach ihm zu suchen. Ihr Mann hatte sie verlassen. Schluchzend brach sie über ihrem Strohsack zusammen.
Genoveva hörte das Weinen unten in der Küche. Zuerst dachte sie, Konz und Katharina würden endlich miteinander sprechen, endlich die Last von ihren Seelen reden. Doch das Weinen hörte nicht auf, ging in jenes verzweifelte Wimmern über, das sie zum ersten Mal von Katharina gehört hatte, als sie Konz verletzt ins Rischacher'sche Haus gebracht hatte. Da wusste sie, dass etwas geschehen war. Ganz gegen ihre Gewohnheit barsch schickte sie die Kinder nach draußen in den Garten, vergewisserte sich, dass die kleine Anna friedlich in ihrer Wiege schlief, und eilte die hölzerne Treppe nach oben.
Katharina rührte sich nicht, als sie hereinkam, lag zusammengekrümmt auf dem Strohsack vor dem leeren Bett und hielt sich die Fäuste vor den Mund, um ihr Wimmern zu ersticken. Genoveva kniete sich nieder und nahm die Verzweifelte sanft in die Arme, wiegte sie an ihrer Brust, streichelte ihr Haar, schob ihr immer wieder die von Tränen nassen, rotbraunen, lockigen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
»Scht, ganz ruhig, Liebe. Es wird gut. Alles wird gut.« Die stete gemurmelte Litanei drang langsam in Katharinas Bewusstsein. Sie fühlte die sanften Arme, die sie hielten, und der letzte Rest, das letzte Fünkchen ihres Kampfeswillens brach zusammen.
»Erzähl mir, was geschehen ist.«
Katharina schüttelte den Kopf. »Du würdest mich hassen, mich verachten, so wie ich es selbst tue.«
Genoveva setzte sich zu ihr auf den Strohsack und streichelte ihren Rücken, wie man einem Baby den Rücken streichelt. »Ich werde dich nicht hassen. Ich könnte dich niemals hassen. Du bist für mich wie eine kleine Schwester. Zu lange kennen wir uns schon. Und nichts, was auch geschehen sein mag, wird daran etwas ändern.«
Forschend sahen grüne, verweinte Augen in Genovevas braune, ein kleiner Schimmer Hoffnung, ein Funke Vertrauen glomm in ihnen. Dann brachen bei Katharina alle Dämme. Mehr stammelnd als sprechend, immer wieder unterbrochen von Weinkrämpfen, erzählte sie ihre ganze Geschichte. Die Geschichte von Thomas Leimer, die Geschichte ihrer verratenen Liebe, ihres Hasses, ihres doppelten Scheiterns und des Verrates an Magdalena von Hausen.
Genoveva stöhnte innerlich, je mehr sie erfuhr. Mein Gott, wie sehr hatte dieses Mädchen gelitten. Und deshalb auch ihre Schwester Magdalena. Es war nicht gerecht! Das hatte niemand verdient. Weder Magdalena noch Konz, noch Katharina. Da hatten Menschen einander wehgetan, die sich liebten. So viel verschwendete Liebe, so viel verschwendeter guter Wille. Genoveva stiegen die Tränen in die Augen, zärtlich streichelte sie der jungen Frau über den Kopf. »Katharina, du musst mit Magdalena und Konz reden. Du musst ihnen alles erzählen. Dann werdet ihr wieder zueinander finden. Dieser Mann, Thomas Leimer, und sein unheilvoller Schatten sind nicht stark genug, euch für immer auseinander zu bringen. Glaub mir. Ich bin sicher, sowohl Konz als auch Magdalena werden dir am Ende verzeihen. Auch wenn es ihnen sicher nicht leicht werden wird. Jetzt geh erst einmal zur Beichte, tu einen ersten Schritt, bring die Sache mit deinem Gewissen in Ordnung. Und dann sprich mit den beiden Menschen, die du doch eigentlich liebst. Das höre ich aus jedem deiner Worte. Sei sicher, sie werden schließlich verstehen. Danach musst du den nächsten Schritt tun, den schwersten von allen. Du musst einen Weg finden, dir selbst zu verzeihen.«
Katharina schüttelte den Kopf. »Konz ist fort. Er hat mich verlassen. Und mit Magdalena kann ich nicht sprechen. Wie sollte ich auch zurück nach Seggingen?«
»Konz wird zurückkommen, wenn seine verletzten Gefühle wieder etwas geheilt sind. Er liebt dich wie sein Leben. Er wird dir zuhören. Und Magdalena kannst du auch einen Brief schreiben.« Katharina nickte kläglich.
Sein eigener, keuchender Atem brachte Thomas Leimer wieder zur Besinnung. Verdammt, das war knapp gewesen. Das plötzliche Auftauchen dieses dunklen Hünen mit dem Temperament eines schäumenden Bullen hatte ihn zu Tode erschreckt. Er konnte nur hoffen, dass sein Messer den Gegner matt gesetzt hatte. So matt wie möglich. Das war kein
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