Zeit des Lavendels (German Edition)
Wohlwollen zu bewahren, mit dem Ihr sie einst so unverdient überhäuft habt.
Eure Schwester hat mir den Mut gemacht, daran zu glauben. Doch ich kann verstehen, wenn Ihr es nicht vermögt. Dann werde ich auch das als Teil meiner gerechten Strafe annehmen. Gott segne Euch und gebe Euch alle Kraft, die Ihr braucht, um diese Geschichte zu lesen, die ich nun schreiben muss, so schwer es mir auch fällt ...
Katharina hatte sich nicht geschont und berichtete ohne Selbstmitleid und völlig offen. Zum ersten Mal erfuhr Magdalena von Hausen nun von der Verbindung dieser Unglücklichen mit Thomas Leimer. Erfuhr, dass er der Vater ihres Sohnes war, erfuhr von der Stunde, in der sie verraten wurde. Und von den letzten Ereignissen in Basel, die Konz Jehle beinahe das Leben gekostet hätten und durch die Katharina ihren Mann dennoch verloren hatte.
Die widersprüchlichsten Gefühle bestürmten die einsame Frau im Zimmer am Rhein. Auch in ihr lebte die Eifersucht, die Sehnsucht einer Frau nach Liebe. Auch sie musste nun erkennen, dass sie an einen Unwürdigen geraten war. Und auch sie würde lernen müssen, mit dieser Erkenntnis als Strafe für ihre Verblendung zu leben.
All die Zeit war ihr die Gnade des Bewusstseins vergönnt gewesen, vor den Augen Gottes auf dem richtigen Pfad zu sein. Wie eitel und selbstgefällig hatte doch auch sie für sich in Anspruch genommen, Gottes Willen zu kennen. Aber der Allmächtige ging seinen eigenen Weg, um den Menschen zu zeigen, wie klein und unwichtig sie vor seinem Angesicht sind.
Oft saß Magdalena von Hausen in den nächsten Tagen an ihrem Fenster, schaute schweigend auf den Fluss und erforschte ihr Gewissen. Auch sie hatte gefehlt gegen dieses junge Mädchen; schon ehe Katharina bewusst in diese Welt getreten war. Auch sie hatte geschwiegen. Ob aufgrund des Schwurs oder auch aus Scham oder Eigennutz vermochte sie nicht zu sagen. Jetzt musste sie ebenfalls ihr Schweigen brechen und ein lange gehütetes Geheimnis preisgeben, von dem nicht einmal ihre Schwester etwas wusste.
Viele Tage kämpfte Magdalena von Hausen mit sich, verbrachte Stunden des Gebetes im Münster und kniend auf dem harten Betschemel in ihrem Zimmer. In dieser Zeit erlegte sie sich strenges Fasten und Stillschweigen auf. Erst dann war sie fähig, zur Feder zu greifen und die beiden Briefe aus Basel ehrlichen Herzens und ohne Verbitterung zu beantworten.
Geliebte Schwester,
meine liebste Freundin Katharina,
der Anfang meines Schreibens mag euch zeigen, dass kein Zorn und kein Groll in meinem Herzen zurückgeblieben sind angesichts der Dinge, die mir erzählt wurden. Doch ich muss zugeben, es war mir schwer, diese Gefühle zu besiegen. Bin auch ich doch nur allzu menschlich, geschlagen mit den Schwächen und den Verblendungen meines Geschlechtes und ebenfalls keineswegs gefeit vor den Versuchungen des Bösen. Doch so Gott es will, wird es uns gemeinsam gelingen, diesen Kampf durchzustehen, zum Guten zu wenden, was so übel begann. Damit der Böse sein Haupt demütig niedersenken möge vor der Größe und der Allmacht des Herrn, der allein Gnade walten lassen kann, wo die Kräfte der Menschen zu gering sind und versagen.
Nein, ich bin dir nicht gram, Katharina, nicht mehr. Zu viele Leiden sind schon entstanden, weil Menschen aus den falschen Gründen schwiegen, anstatt sich offen vor dem Angesicht des Herrn und ihrer Mitbürger zu dem zu bekennen, was sie taten. Das gilt auch für mich. Auch ich habe ein Geständnis zu machen, auch ich muss um Verzeihung bitten für ein Unrecht, das ich tat. Damals dünkte mir, ich täte es aus einem rechten Grund. Heute weiß ich, dass auch ich nicht frei von Eigennutz war. Und so bitte ich euch, dich meine geliebte Schwester, und dich, meine Freundin Katharina (denn das bist du für mich noch immer und mehr denn je) um Verzeihung, dass ich so viele Jahre vor euch verborgen hielt, was euer Leben doch so tief berührt.
Mehr als zwei Jahrzehnte sind diese Geschehnisse nun her. Aber ohne sie, liebste Schwester, wärst du heute vielleicht nicht die glückliche Mutter und Ehefrau, die du wurdest. Und du, Katharina, müsstest dich nicht als arme Waise bezeichnen. Ohne es zu wissen, hast du dem Geschlecht derer von Hausen schon durch deine Geburt viel Gutes bereitet und unser Überleben gesichert. Ohne dich wäre ich wohl nie die Äbtissin dieses wunderschönen Stiftes geworden. Ich versprach, dieses Geheimnis bis an mein Lebensende zu bewahren. Nur die alte Nele und eine
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