Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
Vom Netzwerk:
Personalzimmer. Dort klopfte ich an und trat ein. Marja saß am Schreibtisch und telefonierte. Meine ehemalige Sekretärin Oksana Pelkonen, nunmehr Marjas Geschäftsassistentin, lächelte mich an wie ein kleiner Fink, formte mit den Lippen einen lautlosen Gruß und einen Kuss.
    Oksana war finnischer Abstammung und schon vor einem halben Jahrzehnt mit einer Fuhre Mädchen aus Russland gekommen, doch für das Sexgeschäft hatte sie nicht getaugt. Sie war lieb und sympathisch, aber so sexy wie die Strumpfhose einer Oma, und zwar die wollene für den Winter. Oksana hatte für meinen früheren Partner verschiedene Arbeiten verrichtet. Als meine geschäftliche Tätigkeit expandierte, hatte ich sie als Sekretärin eingestellt. Sie hatte eine alte Mutter, um die sie sich kümmerte, und einen ehrbaren finnischen Ehemann namens Esko, den sie konsequent unter ihrem hübschen Pantoffel hielt.
    Marja beendete ihr Gespräch. »Schön, dass du da bist«, sagte sie. Vergeblich versuchte ich herauszuhören, ob sich hinter den Worten etwas anderes verbarg als alltägliche Freude. Marja sammelte ihre Papiere ein, steckte einen Teil in ihre Tasche und reichte ein paar Stapel an Oksana weiter.
    »Fahren wir beim Büro in Hakaniemi vorbei«, schlug sie vor. Ich sagte, das sei mir recht, denn auch ich hätte etwas in meinem alten Büro zu erledigen. Ich hatte es zusammen mit Oksana an Marja abgetreten.
    Während der Fahrt lobte Marja den leisen Motor meines neuen Wagens. Als sie an der Sonnenblende einen beleuchteten Spiegel entdeckte, lächelte sie zufrieden.
    Oksana klappte die Armstütze auf der Rückbank herunter und suchte nach einer bequemen Position.
    »Na, aber der Mercedes war immerhin ein Mercedes. Esko sagt auch immer, diese Franzosen, die sind unzugelassig. Esko fährt einen Nissan«, sagte Oksana.
    »Zu-ver-lässig«, korrigierte ich nicht nur den sprachlichen Fehler.
    »Un-zu-vergelässig«, wiederholte Oksana und wunderte sich dann über die neuen Gebäude in Ruoholahti, ganz aus Stahl und Glas, die Menschen arbeiteten dort wie im Treibhaus. Ich ließ die Sprachpflege auf sich beruhen.
    Das Büro in Hakaniemi war rührend vertraut. Die Türfeder quietschte wie früher, die Luft roch nach einer Mischung aus Putzmitteln und dem warmen Staub in einem geschlossenen Raum. Die schwarzen Spuren auf dem Linoleum erinnerten an Besucher, die zu meiner Zeit gekommen waren, und auch an noch frühere. Sogar meine aus zweiter Hand erstandenen Büromöbel waren Marja gut genug gewesen. Sie hatte erklärt, man dürfe nicht zu erfolgreich wirken. Man müsse immer sagen, es ist schwierig, aber wenn ich die Stunden nicht rechne, schaffe ich es so gerade, an den roten Zahlen vorbeizuschrammen. So ist das Unternehmerleben. Und der potenzielle Kunde war zufrieden, wenn es im Pflegeheim sauber war und die Kacheln im Bad sogar ein wenig luxuriös wirkten, während das Büro der Besitzerin alltäglich und bescheiden aussah.
    Oksana schlüpfte auf ihren üblichen Platz hinter dem Wandschirm, las die eingegangenen Mails und schlitzte Briefumschläge auf. Marja blätterte in ihren Vertragsordnern und erkundigte sich telefonisch nach Möglichkeiten, die Wäsche in Estland waschen zu lassen. Auch das sparte ein wenig Kosten.
    Ich hatte noch zwei Stahlschränke im Büro. Es wäre sinnlos gewesen, die alten Steuerbescheide und Quittungen in die neue Halle zu karren, zumal ich einige meiner früheren Firmen stillgelegt hatte, um sie im Bedarfsfall später wieder zu nutzen. In den Schränken befanden sich außerdem Dinge, die meiner Einschätzung nach hier besser geschützt waren, falls jemand sie vermissen und suchen würde.
    Ich ruckelte den schweren Schrank ein Stück von der Wand ab. An der Rückseite klebten flache braune Briefumschläge. Früher hatte ich darin meine Rücklagen aufbewahrt, doch jetzt befanden sich in dem Versteck nur zwei alte Notizbücher, ein russischer Pass, ausgestellt auf den in Wologda geborenen Igor Sergejewitsch Semjonow, aber mit meinem Foto versehen, dazu Quittungen einer Bank in St. Petersburg und andere in der Brieftasche zerknitterte Papiere, mit deren Hilfe ich mich als echter Einwohner Russlands ausgeben konnte.
    Ich löste einen der Briefumschläge vom Schrank, nahm den kleinen schwarzen Kalender heraus und blätterte im Adressverzeichnis. Nachdem ich das Gesuchte gefunden hatte, schrieb ich »Onkels« Nummer auf einen gelben Klebezettel. Onkel war nicht mit mir verwandt, und wenn ich die Nummer eintippte, würde ich

Weitere Kostenlose Bücher