Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
ein und wunderte sich nicht über die Anwesenheit von Varis und Korhonen, sondern beeilte sich, die beiden zu begrüßen, und stellte sich vor, auf Finnisch. Varis murmelte seinen Namen. Korhonen dagegen erklärte dröhnend, er sei der Teppo Korhonen, und fügte auf Russisch hinzu, er sei sehr erfreut über die Bekanntschaft.
Hinter Telepnew folgte ein jüngerer Mann, der an der Tür stehen blieb und sich damit begnügte, einen guten Abend zu wünschen. Meiner Einschätzung nach war er kein einfacher Chauffeur, sondern stand in der Hierarchie einige Stufen höher. Er trug einen dunkelblauen Anzug und eine Aktentasche, hatte einen kleinen Spitzbart und sein Schädel war blank rasiert.
»Ich möchte nicht stören. Sie hatten ein interessantes Gesprächnis oder Besprechung«, formulierte Telepnew.
Ich sagte, wir hätten den ernsten Teil der Unterredung gerade beendet.
»Na dann … kommen wir direkt zur Sache. Die sind wohl für uns. Wenn Sie gestatten«, sagte Telepnew und streckte die Hand nach den Röhren aus. Varis packte ihn mit beiden Händen am Arm. Der Russe sah den Supo-Mann an, signalisierte Verwunderung und Entrüstung, indem er die Augenbrauen eine Spur anhob.
Varis hing stur an seinem Arm. »Moment, Moment mal. Entschuldigen Sie, Herr Telepnew«, protestierte er.
»Oberst Telepnew«, sagte der Russe in einem Tonfall, der die Raumtemperatur um zwei Grad sinken ließ.
»Diese Röhren bekommen die finnischen Behörden«, beharrte Varis mit überraschender Hartnäckigkeit und Kühnheit. Sein Kinn unterstrich seine Weigerung mit einem heftigen Schwung von links nach rechts, so wie ein Kind im Trotzalter, das seinen Brei nicht essen will.
»Röhren … ich verstehe nicht«, kühlte Telepnew die Atmosphäre weiter ab und löste sich aus Varis’ Griff. Er schnappte die Röhren und reichte sie seinem Assistenten, der sie in seiner Aktentasche verstaute. »Es gibt keine Röhren.« Telepnew breitete die Arme aus. »Wenn Sie irgendwelche Forderungen haben, empfehle ich die normale Kooperation, ein Schreiben an die Botschaft, vielleicht eine diplomatische Note … ah, das kostet Zeit, macht Mühe, bringt aber kein Ergebnis.« Er setzte ein fast mitleidsvolles Lächeln auf.
Dann wandte er sich an mich. »Eine fehlt«, sagte er barsch auf Russisch.
»Die habe ich. Aber sie ist eine Garantie, eine Versicherung. Gegen die finnische Polizei«, erklärte ich.
Varis starrte uns verständnislos an. Korhonen verengte die Augen, als könne er so besser hören und verstehen. Telepnew legte mir einen Arm um die Schulter und führte mich ansFenster. Auf dem asphaltierten Hof standen der Wagen der Polizei und der Volvo der Botschaft.
»Das kann ich nicht empfehlen. Es ist … wirklich gefährlich. Für die Gesundheit, meine ich«, erklärte Telepnew.
»Polonium?«, fragte ich und bemühte mich, das Wort so auszusprechen, dass es in Varis’ Ohren unbekannt klang.
»Wir wollen nicht ins Detail gehen. Ich bin kein Chemiker, kein Physiker. Es ist ein gefährlicher, strahlender Stoff. Genug, um … viele Menschen zu töten«, sagte Telepnew. »Du gibst das Ding mir. Und die finnische Sicherheitspolizei braucht nichts davon zu wissen.«
Ich überlegte. Ich dachte an die Metallzigarre in meiner Hosentasche, gleich neben den Hoden. An Annas unschuldigen Schlaf und die strahlende Röhre im Fuß ihres Betts. An Alexejs erschrockene Reaktion, trotz des beruhigend geringen Ausschlags seines Geigerzählers. Weder ich noch die Supo brauchten den tatsächlichen Sachverhalt oder die Wahrheit zu kennen, es genügte, uns in dem Glauben zu lassen.
Eine gute Lüge ist besser als eine schlechte Wahrheit. Diese Weisheit stammte allerdings nicht von meiner Mutter.
Ich steckte die Hand sorglos in die Hosentasche und schloss sie um die furchterregende Röhre. Nach einigen nichtssagenden Floskeln schüttelte ich Telepnew die Hand und ließ die Röhre auf seine Handfläche gleiten. Telepnew steckte sie ebenso unauffällig in die Tasche.
»Ah, Viktor ist ein harter Unterhändler.« Nun sprach Telepnew wieder Finnisch. »Ich spreche theoretisch: Wenn es eine Röhre gäbe, befände sie sich im Besitz des Bürgers Gornostajew. Unsere Buchführung sagt, sie ist bei uns, weil wir dem Bürger Gornostajew vertrauen«, schloss er.
Varis sah ihn misstrauisch an. Ich wusste, dass er gleichzeitig versuchte, zu begreifen, was Telepnew tat und wollte, und sich zurechtlegte, was er selbst bei der Supo über den Fall berichten sollte. Meiner
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