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Zeit des Zorn

Zeit des Zorn

Titel: Zeit des Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Chaos verantwortlich. Wenn du den
Kopf des Ersten aufgespießt und öffentlich zur Schau gestellt hättest, würde
man dich jetzt fürchten und respektieren.«
    Sie wusste, dass er die
Wahrheit sagte. Und übernahm die Verantwortung. »Aber was soll ich jetzt
machen?«, fragte sie ihn.
    »Schick mich los.« Das
tat sie.
    Man sagt, Lado sei schnurstracks in eine
Bar in Tijuana marschiert, die einem narcotraficante namens »El Guapo« gehörte. Er
habe sich zu seinem alten Kumpel an den Tisch gesetzt, ein halbes Bier
getrunken und gesagt: »Was sind wir für Männer, dass wir eine Frau als Chefin
dulden?«
    »Sprich von dir«, habe El
Guapo erwidert und sich nach seinen ungefähr acht Bodyguards umgesehen. »Mir
kann die puta den Schwanz lutschen.«
    Lado habe ihm in den Bauch geschossen.
    Bevor die geschockten
Bodyguards hätten reagieren können, seien zehn mit Maschinenpistolen
bewaffnete Männer durch die Tür gekommen.
    Die Bodyguards hätten
ihre Waffen fallen lassen.
    Lado habe ein Messer hervorgeholt, habe dem sich auf dem Boden windenden El Guapo
die blutgetränkte Hose heruntergezogen und ihn gefragt: »Meinst du diesen Schwanz, cabrón? «
    Ein Schnitt, dann habe
sich Lado in den Raum hinein erkundigt: »Will sich noch
jemand den Schwanz lutschen lassen?«
    Niemand habe das gewollt.
    Lado habe El Guapo das Ding in den Mund gestopft, sein Bier bezahlt und sei gegangen.
Jedenfalls erzählt man sich das so.
    Wahr, teilweise wahr,
zweifelhaft, egal - die Leute haben es geglaubt. Fest steht, dass innerhalb der
darauf folgenden zwei Wochen sieben weitere Leichen mit abgeschnittenen
Genitalien im Mund gefunden wurden.
    Und Elena bekam einen
neuen Namen.
    Elena La Reina.
    Königin Elena.
    Eigentlich eine Schande,
denkt sie jetzt...
    Dass einem Männer
beibringen, wie man sie zu behandeln hat.
     
    Die Scheiße daran ist,
dass sie das gar nicht wollte.
    Elena wollte dem Kartell
nie vorstehen.
    Aber als einzige übrig
gebliebene Lauter war es ihre Pflicht, ihre Verantwortung.
    Wer eine wirklich
vollbeschäftige Frau erleben will, sollte Elena Lauter Sanchez mal am Tag der
Toten begleiten und staunen, auf wie vielen Gräbern sie Geschenke ablegen muss.
Dem Grab eines Ehemanns, den Gräbern von zwei Brüdern, fünf Neffen, unzähligen
Cousins und ebenso vielen Freunden, die alle im mexikanischen Drogenkrieg
ermordet wurden.
    Zwei weitere Brüder
sitzen im Gefängnis, einer in Mexiko, der andere direkt hinter der Grenze in
einem Bundesgefängnis in San Diego.
    Als einziger Mann war ihr
damals zweiundzwanzigjähriger Sohn Hernan übrig geblieben, der von Beruf
Ingenieur und nur aufgrund des Familiennamens seiner Mutter auf den Thron
gelangt war. Hernan war durchaus bereit und sogar ziemlich scharf darauf, die
Kontrolle an sich zu reißen, aber Elena wusste, dass er nicht dafür geschaffen
war - er besaß nicht den Ehrgeiz, die Kaltblütigkeit und, wenn wir ehrlich
sind, auch nicht den nötigen Grips.
    Elena gibt zu, dass er
den Mangel an Charakter und Intellekt von seinem Vater geerbt haben musste,
den sie mit neunzehn Jahren geheiratet hatte, weil er gut aussah und charmant
war und sie unbedingt bei ihren Eltern ausziehen und nicht mehr unter der Knute
ihrer Brüder hatte stehen wollen. Für kurze Zeit hatte sie in San Diego gelebt
und den verlockenden Duft der Freiheit geschnuppert, war ein Teenager und rebellisch
gewesen, doch ihre Familie hatte sofort Lunte gerochen und sie schnell wieder
nach Tijuana verfrachtet, wo ihr nur noch die Ehe als Ausweg blieb.
    Und - machen wir uns
nichts vor - sie wollte Sex.
    Das einzige Gebiet auf
dem Filipo Sanchez wirklich kompetent war.
    Er konnte es für sie
regnen lassen.
    Filipo schwängerte sie schon
wenig später, schenkte ihr Hernan, Claudia und Magdalena und ließ sich
leichtsinnig und blöde ins Jenseits befördern, indem er in einen Hinterhalt
tappte. Heute wird er in Liedern besungen, wunderschöne narcocorridas, aber Elena, wenn sie ehrlich
ist - war fast erleichtert.
    Sie hatte genug von
seiner Unfähigkeit in finanziellen Dingen, seiner Spielsucht, den anderen
Frauen, von fast allen seinen Schwächen. Sie vermisst ihn im Bett, aber sonst
nirgends.
    Und Hernan ist der Sohn
seines Vaters.
    Selbst wenn es ihm
gelänge, an der Kopfseite des Tisches Platz zu nehmen, würde er sich dort nicht
lange halten können, und man würde ihn töten.
    Also übernahm sie statt
seiner den Job und rettete ihrem Sohn damit das Leben.
    Das war vor zehn Jahren.
    Und jetzt wird sie
respektiert

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