Zeit des Zorn
und gefürchtet.
Niemand hält sie mehr für
schwach, und bis vor kurzem musste sie auch gar nicht so viele töten lassen.
Elena besitzt viele
Häuser.
Derzeit bewohnt sie eines
in Rio Colonia in Tijuana, aber sie hat auch
noch drei andere in verschiedenen Stadtteilen, eine finca auf dem Land in der Nähe
von Tecate, ein Strandhaus südlich von Rosarito, ein weiteres in Puerto Vallaría, eine
Zwölftausend-Hektar-Ranch im Süden von Baja und vier Wohnungen in Cabo, aber
das sind nur ihre mexikanischen Immobilien. Davon abgesehen gehören ihr eine
Ranch und zwei Häuser an der Pazifikküste von Costa Rica, eine Wohnung in
Zürich, eine in Séte (ihr ist das Languedoc lieber;
die Provence ist so abgegrast) und eine Wohnung in London, in der sie bislang genau
ein Mal übernachtet hat.
Über Briefkastenfirmen
und unter falschem Namen hat sie zusätzlich noch mehrere Immobilien in La
Jolla, Del Mar und Laguna Beach erworben.
Das Haus in Rio Colonia ist
bekannt als El Palacio. Eigentlich ein ganzer
Gebäudekomplex, mit Außenmauer und sprengsicheren Toren. Trupps von sicarios patrouillieren an der
Mauer entlang und über das Gelände und fahren in gepanzerten, randvoll mit
Waffen bepackten Limousinen die Straßen draußen ab. Weitere bewaffnete
Einheiten bewachen die Sicherheitstrupps, um einen möglichen Verrat zu verhindern.
Die Bleiglasfenster sind mit Granatengittern gesichert.
Der »Master Bedroom« ist
größer als die meisten mexikanischen Häuser.
Sie hat Möbel aus Italien
importiert, ein riesiges Bett, einen Renaissance-Spiegel aus Florenz und einen
Flachbildfernseher, auf dem sie heimlich kitschige Seifenopern guckt. Im
Badezimmer hat sie eine Regendusche, einen Whirlpool und einen
Vergrößerungsspiegel, in dem sie jedes neue Fältchen in ihrem mit
vierundfünfzig Jahren immer noch hübschen Gesicht sofort entdeckt.
In den Vereinigten
Staaten würde man Elena als ultimative MILF bezeichnen.
Sie hält ihre knackige
kleine Figur mit eiserner Disziplin in privaten Fitnessräumen zu Hause und auf
der finca in Form. Männer glotzen ihr
immer noch verstohlen auf die Möpse; sie weiß, dass sie einen hübschen Arsch
hat. Aber wozu?
Elena fühlt sich einsam
in dem großen Haus.
Hernan, der unglücklich
mit einer echten bruja von einer Tusse verheiratet
ist, hat längst seine eigene Wohnung; Claudia ist frisch mit einem netten aber
langweiligen Fabrikmanager verheiratet, und dann gibt's da noch Magdalena.
Elenas Wildfang.
Ihre Jüngste, ihr Baby,
die Unerwartete.
Die scheinbar intuitiv
erfasste, dass ihre Ankunft nicht geplant war und darauf mit Unberechenbarkeit
reagierte. Als wollte Magda durch ihr Verhalten permanent
sagen: Wenn du glaubst, das war eine Überraschung, dann wart erst mal ab, was
dir noch blüht.
Ein aufgewecktes Kind,
das mit schlechten Leistungen in der Schule schockierte, aber kaum, dass man
ihre akademische Ausbildung abgeschrieben hatte (»Bitte, Maria Muttergottes
mach, dass sie einen geduldigen Ehemann findet«), wurde sie zur Streberin. Zur
talentierten Tänzerin, die aber beschloss, dass Gymnastik eher »ihr Ding« sei
und dann aus heiterem Himmel auch auf diesem Gebiet alles abbrach, um sich dem
Reitsport zu widmen, den sie wenig später ebenfalls aufgab und zum Ballett
zurückkehrte. (»Aber Ballett habe ich immer schon geliebt, Mama.«,)
Mit dem Gesicht ihres
Vaters und dem Körper ihrer Mutter brach Magda einer Heerschar von Jungen das
Herz. Beiläufig grausam, absichtlich verächtlich, schamlos flirtend - selbst
ihre Mutter hatte Mitleid mit einigen der Gequälten (»Eines Tages treibst du's
noch zu weit, Magda. « - »Ich hab kastrierte Pferde,
die im Umgang schwieriger sind, Mama.«) -, hatte Magda schon
bald alle zur Verfügung stehenden Verehrer in Tijuana verschreckt. Egal, sie
wollte weg.
Sie unternahm
Studienreisen nach Europa, verbrachte Sommerurlaube bei Freunden der Familie in
Argentinien und Brasilien, unternahm regelmäßig Abstecher nach L. A., wo sie
Clubs besuchte und shoppen ging. Und gerade als sich Elena mit der Tatsache
angefreundet hatte, dass ihr Baby einfach eine Partymaus war - Überraschung -,
kehrte Magda mit dem ernsthaften Wunsch,
Archäologin zu werden, aus Peru zurück. Und da Magda nun
mal ist, wie sie ist, gab es kein College in Mexiko, das ihren Ansprüchen
genügte. Nein, es musste die University of California sein, Berkeley oder Irvine,
wobei Elena einigermaßen sicher war, dass ihre Tochter mit der weiter
entfernten ersten nur
Weitere Kostenlose Bücher