Zeit des Zorn
denn, ihre Jungs
drücken die Kohle ab.
O ist
zweimal in Kunstgeschichte durchgefallen, teilweise auch deshalb, weil sie
Monet nicht von Manet unterscheiden konnte (teilweise natürlich auch, weil sie
gar nicht zum Unterricht erschien). Den Unterschied zwischen Monet und Moneten
kennt sie allerdings schon, jedenfalls gut genug, um zu wissen, das zwanzig
Millionen ziemlich viel sind, und obwohl die Jungs bestimmt nicht zögern
würden, einen solchen Batzen für sie lockerzumachen, glaubt sie nicht, dass
sie's können.
Vorerst jedenfalls nicht.
Sie wird eine Zeit lang
hier absitzen müssen.
Während einer kurzen,
aber interessanten Phase ihres jungen Lebens hatte O eine
ausgeprägte Vorliebe für Filme, die im Frauenknast spielen. Sie und Ashley
blieben wach und guckten alte Videos. Chained Heat, Canned Heat,
Chained Canned Heat. Jedenfalls gab's da immer irgendein junges Mädchen,
das in die Fänge einer Horde von Hardcore-Lesben, eines habgierigen Wärters
oder einer Wärterin oder einer älteren mütterlichen Mitgefangenen geriet, und O und
Ash fuhren total auf diese Softcore-Lesbenpornos ab. Am liebsten drehten sie
den Ton leise und sprachen die Dialoge selbst.
Deshalb denkt sie jetzt,
dass sie ein bisschen was darüber weiß, wie's ist, im Knast zu sitzen.
Wenigstens wurde ihr die
Augenbinde abgenommen. Sie wurde in einen Raum mit einem Bett, einem Stuhl,
einem angrenzenden Badezimmer mit Toilette, Waschbecken und Dusche umquartiert.
Sogar ein Fenster gibt es, allerdings ist es zugeklebt, so dass sie nicht
rausgucken und erraten kann, wo zum Teufel sie sich befindet.
Und
natürlich ist die Tür von außen abgeschlossen.
Dreimal pro Tag kommt
dieser süße, schüchterne Mexikaner mit einer Mahlzeit auf einem Tablett zu ihr
rein. O hat ihn gefragt, aber der Junge will ihr seinen
Namen nicht verraten.
Zum Frühstück gibt's
immer ein Brötchen mit Butter und Erdbeermarmelade.
Zum Mittagessen ein
Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade.
Abendessen
kommt aus der Mikrowelle, irgendwas. So funktioniert das nicht.
Keine drei verfluchten
Jahre, wenn's wirklich so weit kommt.
Erstens
treibt sie das Endlosvideo in den Wahnsinn. Zweitens ist ihr
scheißsterbenslangweilig. Also ...
...
führt sie ihren Kopf ein bisschen spazieren.
Später
am Abend
Ben und Chon sitzen im
Büro in der Brooks Street und sehen Jeff und Craig beim Computer-Voodoo zu.
Jeff in Surferhose und T-Shirt
zurückgelehnt auf seinem Stuhl, den Laptop auf dem Schoß und die nackten Füße
auf dem Schreibtisch.
Er zieht an einem Joint
und blickt auf den Bildschirm, während Craig sich über ein Headset mit Dennis
verständigt.
Craig ist dem Anlass
entsprechend förmlich gekleidet -Jeans, Tennisschuhe, T-Shirt. Er legt seine
Hand über das Mikro, lächelt und sagt: »Der Junge ist nervös.«
»Könnt ihr die
DEA-Firewall durchbrechen?«, fragt Ben.
Craig verdreht die Augen.
Jeff lächelt und sagt: »Wir kennen die Jungs, die die Software geschrieben
haben. Nette Kerle, aber ...«
»Hab ihn«, sagt Craig.
Er dreht sich auf dem
Stuhl, so dass Ben den Bildschirm sehen kann.
»Jetzt ist es
babyleicht«, sagt Craig ins Mikro. »Ich sehe, was du siehst.«
Er fängt an, Nerd zu
sprechen - irgendwelche Abfolgen von Zahlen und Buchstaben, »alt« dies, »enter«
das. Immer mal wieder macht er auf Indianer, weil er das witzig findet (»spür
die Schwingung, nimm die Spannung raus«), was es aber nicht ist. Zwanzig
Minuten später sagt Craig ins Telefon: »Okay, drück auf die Taste und gib mir
den Joystick.«
Dennis tut, was man ihm
sagt.
»Jetzt ist es wie bei
Amazon«, sagt Jeff zu Ben. »Viel Spaß beim Shoppen.«
O erfindet eine neue Persönlichkeit für sich. Die tragische Heldin.
Im Gegensatz zur
tragischen aber hippen Junkiefreundin, als die sie sich an der Seite eines,
anders als in Wirklichkeit, süchtigen Chon phantasiert hatte.
Aber jetzt ist es auch
mal schön, im Mittelpunkt der Bühne zu stehen, oder des Schafotts, jedenfalls solange
nicht wirklich was passiert, anstatt nur die ewig treusorgende Frau an der
Seite eines Mannes zu geben, wie man sie in tausenden von Filmen und
Fernsehserien sieht.
Sie entwirft sich nach
dem Vorbild berühmter Frauen, die geköpft wurden, oder besser gesagt, Frauen,
die berühmt wurden, weil sie geköpft wurden, denn wenn die keinen so
spektakulären Abgang hingelegt hätten, wäre auch keine der Süßen jemals eine
Erwähnung wert gewesen.
O befragt die Geschichte.
Was eine
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