Zeit des Zorn
bekommt. Für jedes
Drogenvergehen gibt es Urteilsrichtlinien, festgelegte Mindest- und Höchststrafen.
Für jedes Jahr, das der
Anwalt unterhalb der vom Staatsan wait geforderten Strafe
rausschlägt, bekommt er einen Bonus, aber er kriegt nichts abgezogen, auch
nicht, wenn man die Höchststrafe kassiert. Schließlich kannte man die Risiken,
bevor man sich drauf eingelassen hat. Der Anwalt holt raus, was rauszuholen
ist, und fertig, nichts für ungut, keine Vorwürfe, es sei denn ... Der Anwalt
versaut es.
Er hat so viel um die
Ohren, ist so unkonzentriert oder desinteressiert oder schlicht inkompetent, dass
er etwas übersieht, was das Urteil erheblich milder hätte ausfallen lassen.
Wenn einen der Anwalt
Lebensjahre kostet, lässt man ihn mit Lebensjahren dafür bezahlen - und zwar
seinen sämtlichen verbliebenen. Und wenn man in der Kartellhierarchie ziemlich
weit oben steht - zu den Spitzenverdienern gehört, die im Jahr siebenstellige
Summen reinholen -, dann wendet man sich an jemanden wie Lado.
So ist das im Fall von
Roberto Rodriguez und Chad Meldrun.
Chad
ist ein sechsundfünfzig Jahre alter Strafverteidiger mit ausgezeichnetem Ruf,
einem schönen Haus in Del Mar und einer Reihe hübscher Freundinnen, die
allesamt jeweils zehn bis fünfzehn Jahre jünger sind als er -
»Merkst du nicht, dass
die nur wegen deines Geldes mit dir zusammen sind?«
»Sicher, aber dann ist es
doch gut, dass ich Geld habe.«
— und einem heftigen,
wenn auch irgendwie anachronistischen Kokain-Problem. Chad war während
Rodriguez' Verhandlung ziemlich zugekokst und leergefickt und hatte schon im
Vorfeld verpasst, Anträge zu stellen, die die Beweisführung der
Staatsanwaltschaft auf einen Haufen Hundekacke hätten zusammenschrumpfen
lassen.
RR hätte als freier Mann
nach Hause gehen können.
Stattdessen ging er in
Fußfesseln zum Bus nach Chino. Und jetzt spaziert er fünfzehn
bis dreißig Jahre lang beim Hofgang im Kreis. Da hast du viel Zeit, drüber
nachzudenken, dass dich dein eigener Anwalt reingeritten hat, nur weil er zu
viel von deinem Koks in der Birne hatte. RR
denkt ausführlich und genau darüber nach, vielleicht ganze fünf Minuten lang,
dann ruft er an.
Deshalb ist Lado jetzt
unterwegs, um persönlich für Gerechtigkeit zu sorgen, und er rechnet damit,
dass er sich die Katzentatzen dabei nass machen muss. Lado steht
auf den Discovery Channel und Animal Planet, und wenn er da eins
gelernt hat, dann dass Leoparden- und Gepardenmütter ihren Jungen das Jagen
erst mal beibringen müssen, denn die Kätzchen wissen nicht instinktiv, wie's
geht. Die Raubkatzenmamas verwunden ein Tier, machen's aber nicht ganz fertig.
Dann bringen sie es ihren Jungen, damit die das Töten lernen.
So ist die Natur.
Jetzt wird er Esteban einarbeiten - ihn ins »kalte Wasser werfen«, wie man so schön sagt.
Das Kartell braucht
Soldaten hier oben. Das war eine seiner Aufgaben, als er vor acht Jahren herkam
und seine Green Card bekam.
Rekrutieren.
Ausbilden.
Auf den großen Tag
vorbereiten.
Jetzt fährt er zum Haus
des Anwalts.
Esteban sagt er, dass er die braune Papiertüte zu seinen Füßen nehmen und aufmachen
soll. Der Junge tut, wie ihm geheißen, und zieht eine Pistole raus.
Lado achtet auf seine Reaktion.
Dem Jungen gefällt die
Waffe. Esteban mag, wie schwer sie in seiner
Hand liegt. Lado sieht das genau.
Sehr
schön, dieses Haus.
Ein gemähter, gepflegter
Rasen, ein adretter Kiesweg, der hinter das Haus zur Küchentür führt.
Esteban folgt Lado über den Weg.
Lado klingelt
an der Tür, obwohl er den Anwalt in der Küche an der Kochinsel stehen und
Zwiebeln schneiden sieht. Der legt sein Messer ab und kommt zur Tür.
»Ja?«
Er wirkt verärgert,
zerstreut, vielleicht besorgt. Wahrscheinlich glaubt er, arbeitsuchende mujados vor sich zu haben.
Lado legt ihm eine große Hand auf die Brust und schiebt ihn zurück ins Haus.
Esteban tritt die Tür hinter sich zu.
Jetzt wirkt der Anwalt
erschrocken. Er schielt auf das Messer auf dem Schneidebrett, entscheidet sich
aber dagegen. Er fragt Lado: »Wer sind Sie? Was wollen
Sie?«
»Roberto Rodriguez hat
mich gebeten, Ihnen einen Besuch abzustatten.«
Der Anwalt wird kreidebleich.
Seine Beine zittern, und Esteban spürt etwas, das er noch nie
in seinem Leben gespürt hat -
Macht.
Gewicht.
So was wie Schwerkraft
auf amerikanischem Boden.
Die Stimme des Anwalts
bebt: »Wenn's um Geld geht ... ich gebe Ihnen Geld.«
Lado schnaubt verächtlich: »Roberto hat
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