Zeit Des Zorns
fand in der Diaz-Schule statt.
Die Polizisten waren vermummt und bewaffnet. Beim Sturm auf die Diaz-Schule wurden sie von Beamten der politischen Polizei DIGOS angeführt. Einige Globalisierungsgegner in der Schule hatten gemerkt, dass Polizeieinheiten im Anmarsch waren, und versuchten zu fliehen. Andere setzten sich mit erhobenen Händen auf den Boden, in der naiven Annahme, auf diese Weise den Vertretern des italienischen Staates keinen Anlass für Gewalt zu bieten. Aber die kamen und prügelten. Keiner der Staatsbeamten erhob irgendeinen offiziellen Vorwurf oder rechtfertigte den Angriff auch nur zum Schein. Während den einen Demonstranten befohlen wurde, sich mit dem Gesicht zur Wand zu stellen, wurden andere umstandslos blutig geschlagen, vorzugsweise auf die Köpfe. Sie schlugen ihnen Zähne aus, brachen ihre Knochen. Die, die noch stehen konnten, beobachteten aus den Augenwinkeln, wie andere regungslos in ihrem Blut lagen. Bald waren Wände, Fußböden und Heizkörper blutverschmiert. Auf dem Fußboden lagen Opfer in ihrem Blut, viele rührten sich nicht mehr. Andere kauerten wimmernd an den Wänden.
Einer der Polizeioffiziere sagte später aus, es habe danach in der Diaz-Schule wie bei »einem mexikanischen Schlachter« ausgesehen. Die sorgsam über Jahre gesammelten und ausgewerteten Zeugenaussagen ergeben im Nachhinein ein Bild des Grauens.
Der Gipfelgegner Michael Gieser stand im Schlafanzug da und hielt seine Zahnbürste in der Hand, als die Sondereinheiten die Tür der Diaz-Schule aufbrachen. Er sagte naiv: »Wir sollten reden«, sah dann aber die Ausrüstung der Polizei, die gepolsterten Jacken, die Spezialknüppel, die Helme, die vermummten Gesichter, und floh die Treppe hinauf. Zehn spanische Gäste schliefen in einem Raum im Erdgeschoss in ihren Schlafsäcken, sie wachten unter den Schlägen auf. Schnittwunden, Prellungen, Knochenbrüche. Eine jungedeutsche Archäologiestudentin schrieb in einem Nachbarzimmer E-Mails. Unter schnellen harten Schlägen verlor sie ihr Bewusstsein. Polizisten umringten die Bewusstlose, schlugen und traten sie, knallten ihren Kopf gegen einen Schrank und ließen sie in einer Lache aus Blut liegen. Die Augen der jungen Frau standen offen und waren verdreht, sie zitterte am ganzen Körper.
Binnen weniger Minuten, so ermittelte Staatsanwalt Enrico Zucca später, waren alle Gipfelgegner, die sich im Erdgeschoss aufgehalten hatten, vollkommen hilflos. Das Weinen der Verwundeten mischte sich mit den Rufen nach Hilfe. In ihrer Angst machten sich einige in die Hosen. Dann nahmen sich die Polizisten das nächste Stockwerk vor. Dort befand sich eine kleine Gruppe, darunter Gieser, immer noch die Zahnbürste in der Hand. Die Menschen setzten sich hin, um zu zeigen, dass es keinen Widerstand gab. Vergeblich.
Die Polizei stürmte einen Raum nach dem anderen. Manche Gipfelgegner waren in Ecken gekrochen, andere unter Tische. Eine Wolke von Hass drang in die Räume, bevor die Schläge kamen, bevor Haut aufplatzte und Knochen brachen. Den Schlägern machte die Sache Vergnügen. Als einmal ein Vorgesetzter »Basta!« rief und zum Weiterziehen aufforderte, schienen die Prügelnden fast enttäuscht ihr Spielzeug loszulassen.
Es gab Rituale. Jeder Polizist verprügelte jedes Opfer, der Reihe nach. Das Ziel war, jeden Einzelnen schwer zu verletzen. Ein Mann legte sich schützend über seine Freundin, sie spürte jeden Schlag durch seinen Körper. Andere Polizisten beugten sich über den Freund, um auch sie zu treffen. Als sie ihre Hände über den Kopf hielt, brach man ihr ein Handgelenk.
Auf einem Flur befahlen die Polizisten ihren Opfern, sich hinzuknien, um sie bequemer auf Köpfe und Schultern schlagen zu können. Ein 21-jähriger Student aus Berlin musste später operiert werden, damit das Blut aufhörte, in sein Gehirn zu sickern. Manche Polizisten drehten ihre Spezialknüppel um, so dass sie sie wie Hammer benutzen konnten. Andere genossen es, ihre Opfer zu demütigen. Ein Polizist stellte sich breitbeinig vor eine kniende und verletzte junge Frau und stieß seinen Unterleib in ihr Gesicht. Ein anderer nahm ein Messer und schnitt seinen Opfern die Haare ab.
Ein Demonstrant war aufs Dach geflohen und machte den Fehler, zurückzukommen. Als sie mit ihm fertig waren, waren seine Arme und Beine verletzt, sein Schädel gebrochen, Blut floss in seine Brusthöhle. Ein polnischer Demonstrant floh über ein Baugerüst. Polizisten, die die Aktion von außen absicherten, fingen ihn ab.
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