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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ditfurth
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Man schleppte die Verletzten auf die Krankenstation der Kaserne, sie mussten sich ausziehen und ihre Körperöffnungen durchsuchen lassen. Einer der diensthabenden Ärzte trug Springerstiefel und Tarnhose. Er nähte Verletzungen ohne Betäubung und schützte seine Patienten nicht, wenn sie vor seinen Augen weiter gequält wurden. Seine Kollegen waren nicht besser, manche schlugen auf die Wunden, die sie hätten verarzten sollen.
    Die Staatsbeamten zwangen auch verletzte Gefangene bei großer Hitze stundenlang zu qualvollen Körperhaltungen. »Schwan« hieß breitbeiniges Stehen mit erhobenen Armen und dem Gesicht zur Wand. »Ballerina« nannten es die Wärter, wenn die Gefangenen auf Zehenspitzen zu stehen hatten. Andere ließ man stundenlang knien, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Alle wurden in den Zellen geschlagen, mit den Knüppeln auf den Kopf. Oder ihr Kopf wurde einfach gegen die Wand geknallt.
    * * *
    Ministerpräsident Berlusconi genoss unterdessen im barocken Palazzo Ducale seinen großen Auftritt auf dem internationalen politischen Parkett. Kein Vertreter einer der europäischen Staaten kritisierte Berlusconi und den Polizeistaatseinsatz, auch nicht Bundeskanzler Gerhard Schröder, der den im März 2012 wieder zum russischen Staatspräsidenten gekürten Wladimir Putin immer noch für einen »lupenreinen Demokraten« hält. Kurz nach den Ereignissen von Genua schüttelte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) seinem italienischen Kollegen Scajola die Hand. Er betonte, dass er volles Vertrauen in die italienische Justiz habe: »Für uns ist Italien eine stabile Demokratie, die alleine im Stande ist, die Probleme zu lösen.« 263
    Otto Schily war 1989 von den Grünen zur SPD gewechselt und seit 1998 rot-grüner Bundesinnenminister. Seine barbarische Haltung gegenüber Flüchtlingen, Asylsuchenden und sozial Benachteiligten entspringt dem elitären und rassistischen Menschenbildder Anthroposophie. Er war maßgeblich daran beteiligt, das deutsche Asylrecht in Nichts aufzulösen. Als noch weniger Asylsuchende nach Deutschland gelangten, freute sich Schily über diesen »klaren Erfolg unserer Gesetze«. 264 Als schon tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken waren, hatte er 2004 eine Idee: Auffanglager in Nordafrika, zum Beispiel in Libyen. 265 Die Fremden sollten gar nicht erst kommen. 2005 erhielt Schily zu Recht den Big Brother Lifetime Award »für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte und für seine hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung«. Schily hatte sich als Minister massiv für die Einführung biometrischer Merkmale in Ausweispapieren eingesetzt. Folgerichtig wurde er nach seiner Ministerzeit Aufsichtsratsmitglied bei Byometric Systems AG und SAFE ID Solutions AG. Er beriet die Siemens AG, gründete eine Beraterfirma usw. usf. und verweigerte dem Bundestag (Mandat bis 2009) die Auskunft über seine »Nebeneinkünfte«. 266 Die Behauptung, Schily stünde der CDU/CSU näher als der SPD, ist eine interessengeleitete Dummheit. Niemand hatte die SPD zu diesem Innenminister gezwungen. Schily war ein würdiger Nachfolger Gustav Noskes. 267
    Alle Politiker versuchten, den Gipfel als ein »Treffen im Kampf gegen die Armut in der Welt« darzustellen. Berlusconi behauptete, die G8 bekämpften den Hunger in der Welt, die Epidemien, die Armut und andere »inconvenienti«, Unbequemlichkeiten. US-Präsident George W. Bush, dessen hysterisches Sicherheitsbedürfnis schon so viele Grenzen geschlossen hatte, sagte: »Die Globalisierung ist der Triumph der Freiheit der Menschheit über die nationalen Grenzen.« Und die Globalisierung würde, sagte Bush, Millionen von Menschen aus der Armut retten. Die Gegner der Globalisierung seien »die wahren Feinde der Armen«. 268
    * * *
    Während die einen feierten, plauderten und fein speisten, wurden die Linken in der Kaserne weiter gequält. Zu den Frauen sagten die Folterknechte von der Polizei: »Bis heute Abend ficken wireuch alle.« Die Männer bedrängte man: »Bist du schwul oder Kommunist?« Die Folterknechte zwangen ihre Opfer, Tiergeräusche nachzumachen und »Hoch der Duce!« zu rufen. Man ließ sie stolpern und prügelte auf am Boden Liegende ein, verletzte ihre Genitalien, besprühte sie mit Reizgas, einigen wurde die Milz zerquetscht. Sie wurden sexuell drangsaliert, mit Feuerzeugen angebrannt.

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