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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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stehe kurz vor dem Abschluss. Aber wir freuen uns trotzdem total auf den Kleinen. Hast du auch Kinder?“
    „Nein“, log ich.
    Ich blickte in ihre glänzenden Augen und auf ihre Hände, die zärtlich auf ihrem Babybauch lagen, und spürte dasselbe Gefühl aufsteigen, das mich bei schwangeren Frauen so häufig überkam: Neid darauf, dass Karen ebenso wie Helga die Chance bekam, es besser zu machen als ich …
    „So etwas kommt vor“, hatte mich meine Frauenärztin getröstet. „Kondome sind nur zu knapp 99,5 % sicher.“
    „Dann bin ich also eine halbe von hundert Frauen, die trotz gewissenhafter Verhütung schwanger wird“, schniefte ich.
    „Sehen Sie es positiv! Sie sind gesund. Sie sind in einer festen Beziehung. Sie haben einen Beruf. Viele Frauen in ihrem Alter versuchen verzweifelt, schwanger zu werden, aber es klappt nicht.“
    „Aber ich wollte nie ein Kind. Ich möchte meine Figur, meine Karriere, mein Leben behalten. Ich habe nicht so lange studiert und so schwer geschuftet, damit ich zu Hause sitze und Babyscheiße wegmache.“ Meine Stimme war schrill geworden.
    „Ich kann verstehen, dass Sie geschockt sind“, sagte sie ruhig. „Schlafen Sie erst einmal ein paar Nächte darüber. Sprechen Sie mit Ihrem Freund. Wenn Sie sich dann immer noch nicht mit dem Gedanken an ein Kind anfreunden können, reden wir weiter.“
    Abtreibung, Adoption. Ich wusste, worauf sie hinauswollte. Doch beides kam nicht infrage. Ich würde nicht neun Monate einen immer schwerer werdenden Embryo mit mir herumschleppen, mir meine Figur ruinieren und Rollmöpse mit Nutella essen, damit am Ende fremde Leute mit meinem Kind durch die Gegend rannten. Und Abtreibung … Nein, abgesehen davon, dass ich eine solche Aktion vor Sam, meiner Familie und meinen Freunden verschweigen müsste, wollte ich nicht als Insel durchs Leben wandeln, könnte ich auch mir selbst nicht mehr in die Augen blicken. Noch war es zwar nicht mehr als ein winziger Zellklumpen und auf dem Ultraschall nur als heller Fleck zu erkennen, aber dieser Fleck hatte gepocht. Der Zellklumpen hatte ein Herz.
    Ich beschloss, das Beste aus meiner Situation zu machen. Wenn schon schwanger, dann sollte ich die hübscheste, schlankeste und am besten vorbereitete Schwangere sein, die die Welt je gesehen hatte. Hingebungsvoll massierte ich nach jeder Dusche Öl in Brust, Bauch, Po und Oberschenkel ein, um hässlichen Schwangerschaftsstreifen vorzubeugen, ich ging zweimal in der Woche schwimmen, ich suchte mir bereits im fünften Monat eine Hebamme, und ich lernte das Mamibuch von Katja Kessler auswendig. Das schöne Model, das in den neun Monaten vor der Geburt und im ersten Jahr danach mit der Kamera begleitet worden war, tat sein Übriges, um mir vor Augen zu führen, dass mit ein bisschen Disziplin und Selbstbeherrschung die ganze Kindersache nur halb so schlimm sei.
    Sam war anfangs über unseren ungeplanten Familienzuwachs nicht begeistert, stand er doch nach dem Rauswurf bei seinen Eltern quasi mittellos da. Aber er gewöhnte sich schnell an den Gedanken, Vater zu werden. Vor allem als im sechsten Monat ein winziger Penis auf dem Ultraschallgerät sichtbar wurde, kannte seine Freude keine Grenzen und er ersteigerte Minitrikots, Babyfußbälle und Chucks in Größe 18 bei Ebay.
    Abgesehen von der anfänglichen Übelkeit und davon, dass ich 22 Kilo zunahm und im Laufe der Monate zu einer blonden Kopie von Beth Dito wurde, verlief meine Schwangerschaft problemlos. Ja, ich freute mich sogar auf den kleinen Wurm und die damit verbundenen Herausforderungen. Eine Zeit lang nicht arbeiten gehen! Dieser Gedanke war verlockend.
    Meine Probleme fingen erst einige Minuten vor der Geburt an. Nass geschwitzt und mit angeklebten Haaren lag ich auf einem Bett mit Plastiklaken, Sam hielt mir eine nierenförmige Schale vor den Mund, in die ich kurz zuvor vor Schmerzen gekotzt hatte, die Hebamme schrie: „Pressen! Ich kann schon den Kopf sehen!“, und ich dachte: „Nein! Bitte bleib drin. Ich schaff’ das alles nicht.“
    Ein Schwall kalter Luft folgte Milla, als sie Karens kleine Küche betrat. Sie sah die schwangere Frau ein wenig verwundert an. „Hattest du nicht von einem StudienkolleGEN geredet?“
    „Ja. Aber David wohnt hier nicht mehr. Er ist zu seinen Eltern gezogen. Wo liegt dieses Loughrea?“, wandte ich mich an Karen.
    „50 Kilometer östlich von Galway in den Slieve Aughty Mountains. Es ist eine schöne Gegend und bei Touristen wegen der zentralen Lage sehr

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