Zeit für Eisblumen
meiner Wangen ein wenig zu kaschieren. Bei meiner vom Winde verwehten Frisur war sowieso Hopfen und Malz verloren. Ich drückte den Klingelknopf.
„Ja.“ Eine junge Frau mit einem schmalen Gesicht und einem hohen straff zurückgebundenen Pferdeschwanz öffnete mir. Sie trug einen engen Pullover, schwarze Hosen, eine türkisfarbene Binde um den Bauch und war unverkennbar schwanger.
Ich räusperte mich. „Ich suche David Gallagher. Wohnt er hier?“ „David?“ Sie blickte mich verdutzt an. „Nein. Wie kommen Sie darauf?“
„Ein ehemaliger Zimmernachbar aus dem Studentenwohnheim hat mir diese Adresse gegeben.“
„Er war im Sommer ein paar Monate hier, um seine Masterarbeit fertig zu schreiben. Aber seit Oktober hat er das Studium abgeschlossen.“
„Wissen Sie, wo er sich im Moment aufhält?“
Die junge Frau lachte. „Natürlich. Ich habe letztes Wochenende erst mit ihm telefoniert. Er wohnt bei seiner Mutter. Sie besitzt in der Nähe von Loughrea ein Gestüt.“
Ich atmete scharf aus. Endlich! Ich hatte ihn gefunden.
„Haben Sie die genaue Adresse?“
„Ich kann sie Ihnen gerne geben. Ist David ein Freund von Ihnen?“
„Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag über ihn als Straßenmusiker gedreht. Ich bin Redakteurin beim Fernsehen. Eigentlich Moderedakteurin. Aber hin und wieder drehe ich auch andere Themen“, fügte ich erklärend hinzu. „Meine Mutter und ich machen gerade eine Rundreise durch Irland und ich dachte, es wäre nett, ihn wiederzusehen.“ Ich spürte, wie ich rot wurde.
Doch die junge Frau schien es nicht zu bemerken.
„Sie sind Moderedakteurin! Das ist ja wunderbar.“ Sie lächelte entzückt. „Ich habe Design am College of Fashion in London studiert und arbeite gerade an meiner Abschlusskollektion. Möchten Sie hereinkommen? Wir könnten uns ein wenig unterhalten.“
Ich drehte mich um und blickte vorbei an dem leer stehenden Hotel den Berg hinauf. Von Milla war nichts zu sehen.
„Gern.“
„Ich bin Karen.“
„Felicitas.“ Wir drückten uns die Hände.
„Felicitas! Was für ein schöner Name!“
Ich lächelte sie an und trat ein.
Das kleine Haus bog sich und ächzte unter dem Gewicht des Sturms, doch in der Küche verbreitete ein Schwedenofen mollige Wärme. Karen war reizend. Sie plauderte in einem fort, während sie den Tee aufbrühte und einen tiefgekühlten Apfelstrudel in den Ofen schob. Und schon bald wusste ich, dass sie seit einem Jahr mit Davids bestem Freund Andy verheiratet war, der in Westport ein Elektrogeschäft besaß und erst spät abends heimkam.
„Eigentlich wohnen wir dort. Aber ich stehe ein wenig unter Zeitdruck.“ Sie tätschelte ihren Bauch. „Deshalb habe ich mich, bis ich mit meiner Kollektion fertig bin, im Sommerhaus seiner Eltern eingemietet. Es ist einsam den ganzen Tag über allein. Aber hier werde ich wenigstens nicht abgelenkt. Möchtest du meine Abschlusskollektion sehen? Das Motto ist Painted Winter.“
Ich folgte Karen die enge Holztreppe nach oben in das ausgebaute Dachgeschoss. Zwei Schaufensterpuppen standen vor einem schrägen Fenster. Die eine Puppe trug eine pinkfarbene Hose aus Satin, ein grünes schmal geschnittenes Oberteil mit Wasserfallausschnitt und brombeerfarbene Armwärmer, die andere einen orangefarbenen Rock, ein dunkelblaues Shirt und einen riesigen Wollschal. Auf einem länglichen Holztisch lag bunt gestreifter Stoff ausgerollt. An der Wand dahinter klebte die Skizze eines Ballonrocks, kombiniert mit einer Fellweste. Und an einem Kleiderständer in einer Ecke des Raumes hingen weitere farbenfrohe Stücke. Karens Entwürfe gefielen mir. Ich mochte die Kombination aus schlichten Formen und knalligen Farben ebenso wie den Mix verschiedener Materialien.
„Du hast Talent“, sagte ich bewundernd, als wir wieder unten in der Küche saßen. „Aber als Modedesignerin wirst du kaum in Westport arbeiten können, oder?“
„Nein.“ Karen lachte. „Aber wo die Liebe hinfällt … Und ab Mitte April werde ich sowieso eine Zeit lang nicht dazu kommen. Vielleicht schneidere ich ein paar Babysachen. Und wenn der Kleine größer ist, kann ich mir immer noch darüber Gedanken machen, wie es mit mir beruflich weitergeht.“
Ich beneidete sie um diese entspannte Einstellung. „War dein Kind nicht geplant?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das Produkt einer Magen-Darm-Krankheit. Der Zeitpunkt hätte ungünstiger nicht sein können. Andy hatte sich erst ein halbes Jahr zuvor selbstständig gemacht und ich
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