Zeit für Eisblumen
begegneten, lächelten sie mir zu. Der Busfahrer hatte die Beine gemütlich verschränkt und las in einer Zeitung.
„Zweimal Galway, bitte!“ Ich hielt ihm einen Fünzig-Euro-Schein vor die Nase.
„Der Bus ist kaputt.“ Der Fahrer schaute noch nicht einmal auf.
„Was?“ Ich konnte nicht glauben, was ich gerade hörte. „Der Bus ist kaputt? Wann wird er repariert?“
Nur widerwillig löste er sich von seiner Lektüre. „Morgen. Der Mechaniker hat heute schon früher freigemacht.“
„Aber es gibt doch einen Ersatzbus.“
„Nein. Das ist der einzige Bus, der zwischen Westport und Galway hin und her fährt.“ Sein Blick war bereits nach unten gewandert.
Ich überlegte, ob ich ihm die Zeitung aus der Hand reißen und um die Ohren schlagen sollte. „Und was sollen wir jetzt bitte machen?“, fragte ich schrill.
„Sie können es über Clifden versuchen, aber der Bus dorthin fährt erst heute Abend um sechs.“
„Haben Sie noch einen anderen Vorschlag?“
„Ja. Ein Taxi nehmen oder …“ Er hob aufreizend langsam seine Augenlider einen halben Zentimeter hoch.
„Oder was?“, wollte ich wissen, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
„Oder Sie trampen.“ Sein Daumen schnellte nach oben.
„Bist du von Sinnen?“ Milla stand mit Paul auf dem Arm vor dem Bus und wartete darauf, dass der Fahrer die Abladefläche öffnete, damit wir die zwei Koffer und den Kinderwagen einladen konnten. „Ich trampe doch nicht mit all unserem Gelump und einem knapp elf Monate alten Kind hundert Kilometer durch Irland.“
„Es sind nur 80 Kilometer. In Galway fahren Busse. Und Trampen ist hier in Irland keine ungewöhnliche Fortbewegungsart. In Irland …“
„Ja, ja, ich weiß. In Irland trampen sogar Schulkinder“, unterbrach Milla mich mürrisch. „Aber das ist mir egal. Ich werde die 80 Kilometer nach Galway nicht trampen, sondern mir ein Taxi nehmen. Koste es, was es wolle.“
„Ich habe bereits nachgefragt. Die vier Taxen, die es gibt, sind alle unterwegs. Auch das, mit dem wir hierher gefahren sind. Ich hatte mich schon gewundert, warum sich der Mann im Anzug so hektisch darauf gestürzt hat.“
„Dann bleiben wir eben noch einen Tag länger.“ Milla setzte sich auf ihren Koffer, um deutlich zu machen, dass sie sich keinen Meter von Westport entfernen würde.
„Unser Zimmer ist mit Sicherheit schon wieder belegt.“
Milla sah mich mitleidig an. „Und selbst wenn, dann nehme ich eins der zwanzig, die noch frei sind, oder ich suche mir ein anderes Hotel. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass in Westport
außerhalb der Saison alle Unterkünfte ausgebucht sind?“
Wohl kaum! Ich biss mir auf die Lippen. „Aber ich möchte nicht mehr länger bleiben.“ Wenn es drauf ankam, konnte ich ebenso stur sein wie sie. „Lass es uns doch wenigstens versuchen. Bestimmt nimmt uns jemand mit. Gestern hat es doch auch geklappt.“
„Ja.“ Ich merkte, wie Milla ungeduldig wurde. „Gestern waren wir auch ein Baby, ein Kinderwagen und zwei Koffer weniger. Wer, bitte schön, soll uns mitnehmen?“
„In Karens VW-Bus hätte alles hineingepasst“, beharrte ich eigensinnig.
„Ich werde hier bleiben.“ Milla verschränkte die Arme vor ihrem Körper.
„Und ich werde trampen.“ Wütend starrten wir uns einige Sekunden an, bevor ich den Buggy auseinanderklappte, ihr Paul aus dem Arm nahm und ihn hineinsetzte. Mit einer Hand schob ich den Wagen vor mir her, mit der anderen zerrte ich den Koffer nach und stapfte entschlossen die Straße hinunter. Himmel! Ganz schön schwer! Aber vor Milla würde ich mir nicht die Blöße geben und umdrehen.
„Hallo! Hallooo! Warten Sie bitte!“ Die hübsche junge Frau, die mir im Bus entgegengekommen war, rannte mir hinterher.
Ich blieb stehen und drehte mich um.
„Sie wollten doch auch mit dem Bus nach Galway?“ Ich nickte.
„Ich bin auf dem Weg nach Cloghbrack, zu meinen Eltern. Als der Fahrer mir gesagt hat, dass der Bus heute ausfällt, habe ich meinen Mann angerufen. Er wird mich fahren. Kann ich Sie ein Stück mitnehmen? Wir Mütter müssen doch zusammenhalten.“ Sie lachte und zog dabei die sommersprossige Nase kraus.
„Wo genau liegt denn Cloghbrack?“, fragte ich schwach.
„Etwa auf halbem Weg zwischen hier und Galway. Am Rand des Connemara Nationalparks. Mein Mann wird Sie nach Clifden bringen. Von dort fährt regelmäßig ein Bus nach Galway.“
Ich blickte zu meiner Mutter hinauf. Sie saß immer noch auf ihrem Koffer und beobachtete uns mit
Weitere Kostenlose Bücher