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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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hatte, was ich alles nicht war. Und auf einmal sehnte ich mich nach der Hill Bar, nach Milla, Paul und selbst nach Ian zurück.
    Doch bevor ich länger über dieses Gefühl nachdenken konnte, zog David mich in einen kleinen Pub, den E.J. Kings. und wir ließen uns mit unseren Thunfischsandwiches in der Nähe eines prasselnden Kaminfeuers nieder. Die Wände waren mit Bildern von Musikern geschmückt und auf einem von ihnen konnte ich David erkennen, wie er mit seiner Geige in der Hand neben einem älteren Mann stand, wahrscheinlich der Chef des E.J. Kings, und in die Kamera lächelte.
    „Du wirst oft gebucht, nicht wahr?“
    „Gebucht.“ David grinste. „Sagt man das in deinem Business so?“
    Ich erwiderte sein Lächeln. „Sagt man das in deinem Business etwa nicht?“
    „Nein. Bei uns heißt es: Hast du Lust, bei mir aufzutreten?“
    „Wenn du auf die Juillard in New York oder nach London zum Studieren gehst, wirst du zwangsläufig auch gebucht werden.“
    David zuckte mit den Schultern und sah auf einmal genervt aus.
    „Soll ich dir helfen?“, fragte ich, ohne seiner finsteren Miene groß Beachtung zu schenken.
    „Wobei helfen?“
    „Na dabei, deine Unterlagen zusammenzustellen. Für dein Vorspiel. Ich könnte dir einen Lebenslauf schreiben, wenn du magst. Im Schreiben bin ich recht fit.“
    „Ach so.“ David schüttelte den Kopf. „Nein, das musst du nicht.“
    „Ich könnte deine Hörproben zusammenstellen. Hast du ein paar deiner Lieder auf CD?“
    „Du brauchst mir nicht zu helfen. Wirklich nicht. Wenn die Zeit dafür reif ist, bekomme ich alles auch ganz gut allein hin.“
    Ich wurde ungeduldig. „Wenn die Zeit dafür gekommen ist? Auf was wartest du noch? Wie alt bist du jetzt? 27? Wenn du deinen Traum noch verwirklichen willst, solltest du dich beeilen.“
    „Können wir über etwas anderes reden?“, entgegnete David unwirsch. „Ich verstehe nicht, warum du mir ausweichst.“
    „Weil ich viel lieber das Hier und Jetzt mit dir genieße.“ David nahm meine Hände.
    Ich entzog sie ihm. „Aber du bist gut. Sehr gut! Als Konzertgeiger könntest du viel Geld verdienen. Du willst doch nicht etwa in diesem Kaff versauern! Als Reitlehrer!“
    David sah mich wütend an. „Vielleicht liegt mir nicht so viel an Geld wie dir. Außerdem ist dieses Kaff mein Zuhause. Und ich versauere hier nicht. Meine Mutter hat Pläne für die Ranch. Sie will ab dem Sommer Reiterferien anbieten. An das Haupthaus kommt ein Anbau mit zusätzlichen Zimmern. Ein paar der Cottages sollen ebenfalls zu Wohnungen ausgebaut werden. Allein schafft sie das nicht. Das Vorspielen wird warten müssen.“
    „Aber Ian hat mir erzählt, dass euer ehemaliger Reitlehrer bald wieder anfangen will, zu arbeiten und dass es in Kylebrack mehr als genug Männer gibt, die froh über eine gute Anstellung wären.“
    „Warum liegt dir so viel an diesem Vorspiel?“ David sah mich scharf an.
    „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es dir genügt, in Irland ein Gestüt zu leiten. Du hattest so große Pläne. Und jetzt …“ Ich wich seinem Blick nicht aus. „Ich meine es doch nur gut mit dir.“
    „Aber es ist mein Leben und nicht deins.“ David holte seinen Geldbeutel heraus und rief die Bedienung.
    Verlegen musterte ich meine Fingernägel. Es ist mein Leben und nicht deins. Fast genau die gleichen Worte hatte Sam damals zu mir gesagt. Damals, vor über anderthalb Jahren. Und dass Geld und Erfolg nicht alles waren.
    Ich betrachtete David. Sein hübsches, ebenmäßiges Gesicht, seine weißen Zähne und seine braunen Augen, in denen, egal, wie intim wir miteinander gewesen waren, immer eine Spur Reserviertheit gelegen hatte, und auf einmal wusste ich, dass er niemals nach New York fliegen würde. Er würde in Kylebreak bleiben, den Hof übernehmen und sein Leben genauso weiterführen, wie er es die letzten Monate getan hatte. In dem Mikrokosmos der Slieve Aughty Riding Ranch war er ein Star. Die kleinen Reitschülerinnen sahen zu ihm auf, die größeren himmelten ihn an. Für seine Mutter war er der Partnerersatz. Bei seinen Auftritten in Pubs oder regionalen Veranstaltungen wurde er umjubelt. Das genügte ihm. Auf einer renommierten Musikakademie wäre er ein kleines Licht. Dort müsste er sich gegen Musiker durchsetzen, die ebenso gut waren wie er, wenn nicht noch besser. Dafür fehlte ihm der Mut. Aber vielleicht stimmte das nicht. Vielleicht war niemals er es gewesen, der von all dem geträumt hatte, sondern immer nur

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