Zeit für Plan B
unwiderrufliche Dinge in mir vorgingen. Veränderung war etwas, womit ich noch nie besonders würdevoll umgehen konnte, und ein Beweis dafür war die Tatsache, dass ich Sarah überhaupt angerufen hatte. Vermutlich hatte ich in diesem Augenblick vor, mich von der Couch zu erheben und die Sache mit Lindsey ins Lot zu bringen, aber das Kodein sorgte dafür, dass ich ohne weitere Vorankündigung in einen dunklen, traumlosen Schlaf fiel.
30
W ie sich herausstellte, wachte ich erst am nächsten Morgen wieder auf. Irgendwann, während ich schlief, hatte jemand eine Decke über mich geworfen. Ich hoffte, dass es Lindsey gewesen war, aber um all meine Ersparnisse hätte ich dabei nicht wetten wollen. So, wie die Dinge in letzter Zeit für mich liefen, hätte ich meine Ersparnisse dabei vermutlich verwettet. Der Duft von Eiern und Kaffee drang aus der Küche zu mir herüber, und ich merkte, dass ich völlig ausgehungert war. Ich überprüfte rasch die Anwesenheit all meiner Körperteile und kam zu dem Schluss, dass sich an diesem Tag alle zur Arbeit eingefunden hatten, wenn auch einige begeisterter als andere. Vorsichtig rollte ich mich von der Couch, stemmte mich hoch, bis ich aufrecht stand, und nahm mir ein paar Sekunden Zeit, um meine Zehen in den Teppich zu bohren und damit hin und her zu wackeln. Aus irgendeinem Grund hatte das Gefühl eines Teppichs zwischen meinen Zehen seit dem Unfall eine seltsam beruhigende Wirkung auf mich. Ich ging in die Küche, wobei die statische Aufladung zwischen meinen Füßen und dem Teppich knisterte wie ein Werbespot für Rice Krispies. In der Küche saßen Chuck und Alison missmutig beim Frühstück.
»Hey«, sagte ich und zog mir einen Stuhl heran.
»Guten Morgen«, sagte Alison.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Chuck, während er etwas Rührei auf einem getoasteten Weißbrot verteilte. Ich wartete, bis er damit fertig war, und schnappte mir dann ein Stück von seinem Teller.
»Hunger«, murmelte ich und biss in den Toast. »Salz fehlt.« Ich streckte die Hand über Alisons Platz aus und griff nach dem Salzfässchen.
»Jeder ist ein Kritiker«, sagte Chuck und nahm sich noch eine Scheibe Toast von dem Teller in der Mitte des Tischs.
»Wo ist Lindsey?«, fragte ich.
»Unten am See«, sagte Chuck. »Und wenn du mich fragst …«
»Tu ich nicht.«
»Sie sieht nicht allzu glücklich aus«, beendete er den Satz.
Ich nahm noch einen Bissen Toast mit Ei und erhob mich vom Tisch. »Hier«, sagte Chuck und griff in seine Tasche. »Das wirst du brauchen.« Er zog mein Medikamentenfläschchen hervor und brach eine der Pillen in der Mitte durch. »Tagesrationen«, sagte er und warf mir eine Hälfte zu. Ich steckte sie mir in den Mund und spülte sie mit seinem Orangensaft hinunter. »Wir sehen uns später.«
Ich war schon fast an der Tür, als Alison leise sagte: »Ben.«
Ich drehte mich um und sah sie an. »Ja?«
»Was immer das Problem ist, schaff es jetzt aus der Welt, es gibt nämlich wichtigere Dinge, um die wir uns kümmern müssen.«
»Was ist los?«, fragte ich.
»Er ist jetzt seit zwei Tagen verschwunden, Ben«, sagte sie und sah mich gebannt an. »Das sind zwei Tage und zwei Nächte.«
»Ich weiß.«
»Nein«, widersprach Alison mit einer Stimme, die ihr zu versagen drohte. »Das weißt du nicht. Niemand von uns weiß es. Er könnte verletzt sein, er könnte tot sein, wir wissen nicht ein verdammtes bisschen.«
»Jack kann selbst auf sich aufpassen«, entgegnete ich matt.
»Ja, genau«, gab sie zurück. »Wenn Jack selbst auf sich aufpassen könnte, dann wären wir jetzt nicht hier.«
»Also, was willst du damit sagen?«, fragte Chuck sie. »Was willst du denn jetzt unternehmen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Alison, während sie nachdenklich mit dem Finger um den Rand ihres Saftglases glitt. »Ich denke, die Sache istzu weit gegangen. Vielleicht sollten wir uns besser an die Polizei wenden.«
»Die werden uns festnehmen«, sagte Chuck. »Weißt du, was eine Festnahme für meine Karriere bedeuten würde? Oder deine? Du könntest aus der Anwaltschaft ausgeschlossen werden, und ich könnte meine Approbation verlieren.«
»Wir reden hier von Jacks Leben!«, schrie Alison ihn an und schlug mit der flachen Hand so hart auf den Tisch, dass ich ein paar Eisbrocken in die Luft fliegen sah. »Wie egoistisch kannst du eigentlich sein, Chuck?«
»Hey!«, brüllte Chuck zurück. »Ich bin schließlich hierhergekommen, um Jack zu helfen, oder? Ich hab mir meine gottverdammte
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