Zeit für Plan B
immer noch damit, die Kälte aus den Knochen zu vertreiben.
»Was denn?«, fragte Lindsey, die zusammengerollt auf der Couch saß und den Dampf ihres Cidres einatmete.
»Rückblickend betrachtet, kann ich nicht einmal sagen, was ich an Jack eigentlich so anziehend fand. Ich weiß, da muss irgendetwas gewesen sein, was mich all die Jahre gefesselt hat, aber wenn ich versuche, es zu benennen … nichts.«
»Dass du es nicht in Worte fassen kannst, muss doch noch lange nicht heißen, dass es nicht existiert.« Ich sah sie mitfühlend an.
»Das sage ich mir auch«, sagte Alison. »Denn die Alternative ist noch erbärmlicher – dass ich blind an ihm hänge, eher aus Trägheit als aus irgendwelchen anderen Gründen. Ich meine, ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen, ich habe Freunde und eine Karriere. Ich glaube nicht, dass ich an einem niedrigen Selbstwertgefühl oder sonst irgendetwas leide. Warum kann ich diese Sache also nicht einfach abschütteln?«
»Das frage ich dich doch schon seit Jahren«, bemerkte Lindsey sanft.
»Und wisst ihr, was mir noch aufgefallen ist?«, sagte Alison. »Ich habe das Gefühl, dass alles nur am Timing lag. Dass Jack, wennich ihn auch nur ein Semester später kennengelernt hätte, nicht dieselbe Wirkung auf mich gehabt hätte. Ich weiß nicht … Ich habe genau zu der Zeit versucht, mich von meinen Schwestern abzugrenzen, hatte das Gefühl, ich müsste ihnen beweisen, wie provinziell sie doch sind. Ich meine, dabei ging es eigentlich eher um mich als um sie. Ich kam an die New Yorker Uni, und alle wirkten so ehrgeizig, so eifrig bemüht, ihre Ziele zu verfolgen, und ich stand da, dazu erzogen, über Ehemänner und Familien nachzudenken.«
»Mach jetzt einen Sprung um zehn Jahre nach vorn«, sagte ich. »Und sieh dir an, was aus all unseren tollen Zielen geworden ist.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Und jetzt will ich natürlich alles, wogegen ich mich gewehrt habe, mehr als irgendetwas sonst.«
»Ich begreife immer noch nicht, wie das alles zu Jack führen konnte«, wandte Lindsey ein.
Alison sah sie nachdenklich lächelnd an. »Wenn du die Ehemänner meiner Schwestern kennen würdest, würdest du es begreifen. Sie sind im Grunde austauschbar. Ivy-League-Absolventen, hohe Tiere in irgendwelchen Firmen, Wochenendathleten. Sie teilen sich sogar Dauertickets für die Knicks. Die Wahrheit ist, eigentlich sind sie wirklich tolle Typen. Gute Väter, liebevolle Ehemänner. Aber zu der Zeit hatte ich einfach das Gefühl, mir würden die Augen zu einer völlig neuen Welt geöffnet werden. Ich war entschlossen, aus dem vorgegebenen Muster auszubrechen und mit etwas völlig anderem zurückzukommen. Jack war genau das Gegenteil des Mannes, den man von mir erwartete, versteht ihr? Ein bisschen wild, ein bisschen gefährlich, offener, leidenschaftlicher, weniger kultiviert. Als ich ihn traf, war er alles, was ich zu suchen glaubte, eingehüllt in diese schöne, sexy Verpackung.« Sie seufzte tief auf. »Ich habe mich ihm vollkommen geöffnet, mich einfach der Möglichkeit hingegeben, dass es ihn für mich geben könnte. Und jetzt, nach all den Jahren, klammere ich mich immer noch an dieser Möglichkeit fest. Als ob es, wenn ich einfach nur beweisen könnte, dass das Mädchen, dasich auf dem College war, recht hatte, ein großes Happy End und eine Rechtfertigung für die letzten zehn Jahre geben würde.«
»Und wenn nicht?«, fragte Lindsey.
»Ich denke, dann werde ich mich einfach mit der Tatsache abfinden müssen, dass ich nicht mehr das irregeleitete Kind bin«, antwortete Alison. »Dass ich jetzt einfach nur … alt bin.«
»Liebst du ihn denn?«
Alison sah in ihren Cidrebecher. »Ja«, flüsterte sie. »Ich liebe ihn schrecklich. Das ist ja das Problem.«
»Wow, Alison«, sagte ich nach einem Augenblick des Schweigens. »Wer hätte gedacht, dass in dir solches Chaos herrscht?«
»Ich wusste es«, sagte sie lächelnd. »Ich habe es nur gut versteckt. Wisst ihr, ich bin eine Zeit lang zu einem Psychiater gegangen.«
Wir zogen beide erstaunt die Augenbrauen hoch. »Das gibt’s doch nicht«, sagte ich.
»Vor ein paar Jahren. Meine Eltern haben darauf bestanden«, erzählte sie. »Ich meine, ich war damals ungefähr siebenundzwanzig. In dem Alter hatten all meine Schwestern bereits ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Ich war weit im Rückstand, und sie machten sich Sorgen.«
»Und wie war das?«, fragte ich.
»Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm ausgehe.«
»Nein!«, kreischte
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