Zeit, gehört zu werden (German Edition)
durchaus bewusst. Ich fühlte mich klobig in meiner Haut. Ich war ungeschickt mit Worten und wusste, dass ich viel zu direkt war. Ich machte Sachen, die den meisten Teenagern und Erwachsenen peinlich wären – ich ging die Straße entlang und machte Verrenkungen wie in dem Song Walk like an Egyptian oder wie ein Elefant –, die Kinder aber umwerfend komisch fanden. Ich machte mich zum Affen, um die Stimmung zu heben. Menschen, die mich liebten, hielten diese Verrücktheiten für reizend. Meine Familie, meine Freunde schüttelten nachsichtig den Kopf und seufzten: »So ist sie eben, unsere Amanda.«
Beim Fußball allerdings fielen die Schranken. Ich war gut, und das ermöglichte es mir immer, mich den anderen ebenbürtig zu fühlen.
Im College fand ich schließlich meinen Halt auch außerhalb des Spielfelds. Ich blieb in Kontakt mit Brett und traf mich mit einer kleinen Gruppe intelligenter, unkonventioneller Studierender an der Kletterwand der Universität und in meinem Wohnheim. Ich ging mit einem Studenten namens DJ, einem Frischluftfanatiker mit Irokesenschnitt, der einen Kilt trug. Meine Zimmernachbarin war ein Mädchen aus Colorado namens Madison. Wir wurden enge Freundinnen und bewunderten uns gegenseitig. Sie war anders als die meisten Studentinnen. Sie trieb keinen Sport, trank und rauchte nicht, ging nicht auf Partys. Madison war eine Mormonin im Zwiespalt mit ihrer Religion, Musikerin, studierte im Hauptfach Frauenforschung und Fotografie. Abends leistete ich ihr Gesellschaft in der Dunkelkammer des Campus. Sie ermutigte mich, ich selbst zu sein.
Die meisten meiner anderen Freunde waren männlich. Wir spielten Fußball, improvisierten gemeinsam auf der Gitarre, sprachen über das Leben. Wenn wir Gras geraucht hatten, überlegten wir, was wir essen wollten – Burger, Pizza, Gyros, was auch immer –, und schlenderten durch die Gegend, bis wir fanden, was unserer Meinung nach das Beste war.
Ich wollte stärker und selbstsicherer aus Italien zurückkehren, um dann mein letztes Jahr an der University of Washington zu absolvieren. Ich wollte eine bessere Schwester, Tochter und Freundin sein. Als ich mich auf die Abreise nach Perugia vorbereitete, war mir klar, dass meine Persönlichkeit noch nicht ausgereift war. Ich wusste nicht genau, wie ich dahin gelangen sollte. Ich war hoch motiviert und umsichtig, setzte mich aber unter starken Druck, um zu tun, was ich für richtig hielt. Denn immer hatte ich das Gefühl zu versagen. Deshalb bedeutete mir die Herausforderung, allein auf mich gestellt zu sein, so viel.
Während ich überlegte, was ich in Italien brauchte – meine Kletterausrüstung, Wanderstiefel und eine Teekanne gehörten zu den wichtigsten Dingen –, kamen alte Freunde aus der Highschool und neue Freunde vom College vorbei, wünschten mir alles Gute, brachten kleine Geschenke und Scherzartikel mit.
Ich bekam ein Tagebuch, eine Gürteltasche und Teedosen. Die witzige, respektlose Brett schenkte mir einen rosafarbenen Bunny-Vibrator. Unglaublich – ich hatte noch nie einen benutzt.
»Bis du deinen italienischen Hengst triffst«, sagte Brett und überreichte ihn mir augenzwinkernd.
Ich lachte. Der Vibrator war typisch Brett. Sie machte sich gern darüber lustig, dass ich bedauerlich weit hinter allen herhinkte. In der Highschool hatte sie versucht, mich dahin zu bringen, mir die Haare zu glätten und mich zu schminken. Ich bearbeitete meine Haare und fand es okay. Beim Make-up kam ich mir jedoch vor wie eine Blenderin. Ihr neuestes Anliegen war, mich zu überreden, es doch mal mit einer schnellen Nummer zu versuchen. Dasselbe hatte ich auch schon von anderen Freundinnen gehört. Es klang ganz sinnvoll. Ich sehnte mich danach, alle Barrieren einzureißen, die zwischen mir und dem Erwachsensein standen. Sex war eine große Sache – und davor hatte ich die meiste Angst. Ich war eine Spätentwicklerin und habe erst mit siebzehn einen Jungen geküsst. Meine Jungfräulichkeit habe ich erst zu Collegezeiten verloren. Bevor ich nach Italien ging, hatte ich mit vier Jungs geschlafen, und mit jedem hatte ich eine Beziehung, die mir viel bedeutete, auch wenn sie sich als kurzlebig erwies.
Als ich nach Italien abreiste, hatte ich beschlossen, das zu ändern. Für mich war Sex emotional, und das wollte ich nicht mehr – ich verabscheute das Gefühl, von einem anderen abhängig zu sein. Für mich sollte Sex mit Selbstbestimmung und Lust zu tun haben – und nicht mit der Frage »Mag mich dieser Mensch?
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