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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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aber sie hatte daraus nichts gemacht. Oh, alle waren netter zu ihr, und diejenigen, die noch nicht mit ihr gesprochen hatten, sagten ihr, daß sie wunderbar gespielt habe, aber ich merkte gleich, daß das nicht von Dauer sein würde. Einstellungen, die in jungen Jahren geformt werden, lassen sich nur schwer durchbrechen. Ich konnte mir sogar vorstellen, daß es jetzt noch schlimmer werden würde. Da alle wußten, daß sie ganz normal aussehen konnte, würden sie sich vielleicht noch unbarmherziger verhalten.
    Ich wollte mit ihr über meine Beobachtungen sprechen, das hatte ich wirklich vor, aber ich wollte es nach dieser Woche tun. Nicht nur hatte ich viel zu tun, ich mußte auch darüber nachdenken, wie ich das Thema am besten zur Sprache brachte. Tief drinnen hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen wegen der Dinge, die ich auf unserem letzten gemeinsamen Weg nach Hause zu ihr gesagt hatte, und das lag nicht nur daran, daß das Theaterstück ein so großer Erfolg war. Mir ging es mehr darum, daß Jamie in all der Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, immer freundlich zu mir gewesen war, und ich wußte, daß ich ihr unrecht getan hatte.
    Um ehrlich zu sein, glaubte ich, daß sie nicht mehr mit mir sprechen wollte. Ich wußte, daß sie mich in der Mittagspause mit meinen Freunden sah, während sie in ihrer Bibel las, aber sie kam nicht auf mich zu. Doch als ich an dem Tag aus der Schule ging, hörte ich ihre Stimme hinter mir. Sie fragte, ob ich sie nach Hause bringen würde. Obwohl ich noch nicht soweit war, daß ich ihr meine Gedanken mitteilen konnte, sagte ich ja. Aus nostalgischen Gründen, gewissermaßen. Kurz darauf kam Jamie zum Thema.
    »Erinnerst du dich an das, was du beim letzten Mal, als wir zusammen nach Hause gingen, gesagt hast?« fragte sie.
    Ich nickte. Ich wünschte mir, sie hätte es nicht angeschnitten.
    »Du hast versprochen, es wiedergutzumachen«, sagte sie.
    Einen Moment lang war ich verwirrt. Ich dachte, ich hätte das bei der Aufführung schon getan. Jamie sprach weiter.
    »Also, ich habe mir überlegt, was du tun könntest«, fuhr sie fort und gab mir keine Zeit, etwas einzuwenden, »und bin auf diese Idee gekommen.«
    Sie bat mich, die Gläser, die sie zu Beginn des Jahres in den Geschäften der Stadt aufgestellt hatte, für sie einzusammeln. Wenn die Leute einkauften, konnten sie ein paar Münzen in so ein Glas werfen, das normalerweise neben der Kasse stand. Das Geld würde den Waisenkindern zugute kommen. Jamie mochte die Menschen nie um eine Spende bitten, sie wollte, daß sie freiwillig gaben. Das war ihrer Ansicht nach christlich.
    Ich erinnerte mich, daß ich ihre Gläser in Cecil's Diner und im Crown Theater gesehen hatte. Meine Freunde und ich warfen Büroklammern oder Spielmarken hinein, wenn die Kassiererin nicht guckte. Das klang auch wie Geld, und dann lachten wir, weil wir Jamie an der Nase herumgeführt hatten. Wir machten Witze darüber, wie sie ein Glas öffnete und viel Geld erwartete, weil es schwer war, und dann kamen nur Büroklammern und Spielmarken heraus. Manchmal zuckt man bei dem Gedanken an das, was man getan hat, innerlich zusammen, und so erging es mir jetzt.
    Jamie sah meinen Gesichtsausdruck.
    »Du brauchst es nicht zu tun«, sagte sie, offensichtlich enttäuscht. »Ich dachte nur, daß Weihnachten so schnell da ist, und da ich kein Auto habe, dauert es so lange, sie alle einzusammeln…«
    »Nein«, unterbrach ich sie. »Ich kann das machen. Ich habe sowieso nicht viel zu tun.«
    Also fing ich am Mittwoch damit an, obwohl ich für meine Prüfungen lernen mußte und die Bewerbung auch noch nicht fertig war. Jamie hatte mir eine Liste der Geschäfte gegeben, wo sie die Gläser aufgestellt hatte, und am nächsten Tag lieh ich mir das Auto meiner Mutter und fing am äußersten Ende der Stadt an.
    Im Vergleich zu der Aufgabe, sie alle aufzustellen, war das Einsammeln eine Kleinigkeit. Jamie hatte fast sechs Wochen gebraucht, denn erst mußte sie sechzig leere Gläser zusammensuchen, und dann konnte sie immer nur zwei oder drei auf einmal wegbringen, weil sie kein Auto hatte und nur eine bestimmte Anzahl von Gläsern tragen konnte. Als ich anfing, kam es mir komisch vor, daß ich sie einsammeln sollte, denn schließlich war es Jamies Projekt, aber ich sagte mir einfach, daß Jamie mich um meine Hilfe gebeten hatte.
    Ich ging von einem Geschäft zum nächsten und nahm die Gläser wieder mit, doch am Ende des ersten Tag stellte ich fest, daß ich länger

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