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Zeit-Odyssee

Zeit-Odyssee

Titel: Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Laumer
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brennendem Licht schrien um Aufmerksamkeit. Geräusche brüllten, dröhnten, jaulten, kreischten. Bleiche Menschen mit Augen von Qual hasteten an mir vorbei, eingezwängt in enge, uniformähnliche Kleidungsstücke, behängt mit Atmungsgeräten, Strahlungsmessern, prothetischen Hilfsapparaturen und Stoffwechsel-Förderungsgeräten.
    Die Stadt stank. Hitze drang auf mich ein. Dreck wirbelte in Windböen hoch. Die Menge drängte sich, warf eine Frau gegen mich. Ich fing sie auf, bevor sie fiel, und sie fauchte mich an, wehrte sich mit beiden Händen gegen meinen Griff. Ihre Atemmaske war verrutscht, so daß ich einen Blick auf ihr Gesicht werfen konnte.
    Es war Mellia-Lisa.
    Das Universum implodierte, und ich war wieder in der Transferzelle. Weniger als eine Minute war vergangen. Der Karg starrte ausdruckslos auf seine Instrumente. Mellia saß steif, mit geschlossenen Augen auf ihrem Stuhl.
    Ich hatte einen Parameter erforscht.
    Und war schon wieder unterwegs.
     
    Eiskalter Wind peitschte mich. Ich befand mich am steilen Hang eines schneebedeckten Berges. Hier und da stießen nackte Granitschroffen und -zacken aus dem Schnee, in deren Windschatten verkrüppelte Koniferen um ihr Leben kämpften. Unter den Bäumen lagen in Pelze gehüllte Menschen. Weiter oben, deutlich von den grau-schwarzen Wolken abgehoben, zerschnitt ein riesiges V die gezackte Silhouette der Bergkette.
    Wir hatten versucht, den Paß zu erreichen, aber wir hatten zu lange gewartet; der Winter war zu weit fortgeschritten. Der Schneesturm hatte uns hier überrascht. Wir saßen in der Falle. Wir würden hier sterben.
    Ein Teil meines Bewußtseins beschäftigte sich mit diesem Gedanken, der andere beobachtete alles unbeteiligt. Ich kroch zu der nächsten, in Pelze gewickelten Gestalt. Ein Junge, höchstens fünfzehn, das Gesicht weiß wie der Schnee, in den Augenwimpern, in der Nase Eiskristalle, Tot; erfroren. Ich schleppte mich weiter. Ein Säugling, seit langem tot. Ein alter Mann, Eis im Bart und auf den offenen Augen.
    Und Mellia. Sie atmete. Sie schlug die Augen auf. Sah mich, versuchte zu lächeln …
    Wieder war ich in der Transferzelle.
    Zwei Parameter.
    Und wieder fort.
     
    Die Welt wurde zu einem Nadelöhr und weitete sich wieder zu einer staubigen Straße unter staubigen Bäumen. Es war heiß. Es gab kein Wasser. Die Erschöpfung schnitt wie Messerklingen in mein Fleisch. Ich drehte mich um und blickte zurück.
    Sie war lautlos zusammengebrochen. Auf dem Gesicht lag sie im Staub der Straße.
    Es kostete mich große Mühe, mich umzudrehen und die zehn Schritte zu ihr zurückzugehen.
    »Steh auf«, sagte ich, aber die Worte kamen nur flüsternd aus meiner Kehle. Ich versuchte sie mit einem Fuß von der Stelle zu bewegen. Sie reagierte nicht, war wie eine leblose Puppe. Eine Puppe, die nie wieder die Augen aufschlagen und sprechen würde.
    Ich sank neben ihr auf die Knie. Sie war leicht wie eine Feder. Ich hielt sie und strich ihr den Staub vom Gesicht. Aus ihrem Mundwinkel rann ein Faden staubigen Blutes. Unter den nicht ganz geschlossenen Lidern sah ich das Licht, das von ihren toten Augen reflektiert wurde.
    Von Mellias Augen.
     
    Und wieder zurück in den sterilen Raum.
    Der Karg machte sich eine Notiz und sah zu Mellia hinüber. Sie lag auf ihrem Stuhl, den Körper so straff gespannt, daß die Gurte fast rissen.
    Ich hatte drei Parameter. Drei lagen noch vor mir. Der Karg hob die Hand …
    »Augenblick«, sagte ich. »Es ist zuviel für sie. Wollen Sie sie umbringen?«
    Er zeigte eine überraschte Miene. »Es ist natürlich notwendig, Situationen mit Maximum-Streß zu wählen, Mr. Ravel. Wenn ich die Stärke der Affinität messen will, brauche ich extreme Streß-Situationen.«
    »Sie kann nicht mehr.«
    »Aber sie leidet ja nicht direkt«, versuchte er mich zu beschwichtigen. »Die Empfindungen erleben nur Sie, Mr. Ravel; sie fühlt Ihre Angst nur im übertragenen Sinne. Sie leidet sozusagen aus zweiter Hand.« Er lächelte ein wenig gepreßt und legte den Schalter um …
     
    Schmerz, akut und dennoch weit entfernt. Ich war ein Krüppel, und gleichzeitig stand ich daneben und beobachtete den Schmerz dieses Krüppels.
    Mein/sein linkes Bein war unterhalb des Knies gebrochen.
    Ein schlimmer Bruch: gesplittert, und die Splitter des gebrochenen Knochens stachen durch das geschwollene Fleisch.
    Ich war in das Hebewerk des Erzschiffes geraten. Sie hatten mich herausgezogen und hierhergeschleppt, wo ich sterben würde.
    Aber ich durfte nicht

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