Zeit-Odyssee
Strukturen umgeformt worden waren.
Und das war mein zweiter Schock: ein Karggehirn, das jedoch die Funktion eines gewöhnlichen Kargs um ungeheuerliche Dimensionen überstieg.
Zehntausend Karggehirne, zusammengespannt.
Und ich erkannte auch, wie es geschehen war. Ein einsamer Karg, bei seiner Arbeit in der Dritten Ära, der seine Instruktionen mit der typischen Sturheit seiner Art ausführte. Ein Zwischenfall: ein kurzes Verdoppeln seiner Zeitlinie, hatte eine ungewöhnliche Interferenz ausgelöst: ein ungewolltes Zeitstottern.
Und wo zuvor ein Karg-Gehirnfeld gewesen war, gab es jetzt zwei, übereinandergelagert.
Mit der gesteigerten Denkfähigkeit seines Doppelgehirns hatte der so entstandene Superkarg sofort die Situation erfaßt, den Nutzen für seinen Auftrag erkannt, Energie aus dem entropischen Gewebe gezogen und den Zwischenfall wiederholt.
Und sich vervierfacht.
Und noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal.
Bei der sechzehnten Verdoppelung war die Überbeanspruchungsgrenze seiner ursprünglichen Organisationsmatrix erreicht und katastrophal überschritten worden.
Das so ungeheuer mächtige Karggehirn – verzerrt und entstellt durch den unerträglichen Druck, und trotzdem noch ein Komputer mit überragenden Fähigkeiten – war in ein Koma gesunken.
Jahre waren vergangen. Der ursprüngliche Karg, der nicht ahnte, an welch überwältigendem Ereignis er teilgenommen hatte, hatte seinen Auftrag erledigt, war zu seinem Stützpunkt zurückgekehrt, war nach Ablauf seiner Zeit abgeschaltet und zusammen mit seinen Artgenossen vernichtet, dem Dunkel eines fehlgeschlagenen Experimentes überantwortet worden – während das zerschmetterte Supergehirn sich langsam und allmählich wieder erholte.
Und dann war das Karg-Supergehirn erwacht.
Allein und körperlos, hatte es sofort nach passenden Trägern gesucht, sie gefunden und sich in Myriaden von längst erloschenen Karg-Gehirnen niedergelassen. Es hatte seine Lage überprüft, Operationsziele gewählt, logische Schlußfolgerungen gezogen und mit der Ausführung seiner Pläne begonnen – alles im Bruchteil einer Mikrosekunde. Mit der Sturheit eines führerlosen Bulldozers, der durch eine Porzellanfabrik rollt, hatte das anomale Supergehirn ein Zeitsegment entleert, eine dem Leben – dem Kargleben – angepaßte Umgebung geschaffen und sich an die Aufgabe gemacht, die so geschaffene künstliche Zeitinsel abzusichern und zu perfektionieren. Eine Insel ohne Leben, ohne Sinn.
Und dort errichtete es die Finale Autorität. Auch für die Menschen, die noch zwischen den Ruinen des primordialen Zeitstammes herumkrochen, hatte es eine Verwendung gefunden – keine wichtige Verwendung, nicht unerläßlich für den Großen Plan, aber eine Verwendung, die den statistischen Nutzeffekt erhöhte und somit bequem war.
Deswegen war ich, zusammen mit Mellia, dazu ausersehen worden, in der großen Maschinenzukunft des Universums eine winzige Rolle zu spielen.
Wir waren natürlich nicht das einzige Affinitäts-Team. Ich streckte meine Sensitivität durch Verbindungskanäle aus und spürte Tausende von anderen Paaren, die als Gefangene an der Arbeit waren, die Fäden des entropischen Gewebes sortierten und den sterilen Stoff Kargscher Raum-Zeit woben.
Es war eine geniale Idee, aber nicht genial genug. Sie würde eine Zeitlang überdauern: eine Million Jahre, zehn Millionen, hundert Millionen. Zum Schluß würden die Riegel jedoch gesprengt werden. Der Zeitdamm würde brechen. Und die Flut der aufgestauten Vergangenheit würde die unrealisierte Zukunft überschwemmen und eine Katastrophe von Ausmaßen, die jedes Vorstellungsvermögen übersteigen, auslösen.
Jedenfalls mein Vorstellungsvermögen.
Wenn aber jemand ein winziges Loch in den Deich stach und so verhinderte, daß eine größere Stauung entstand, würde es nicht zur Katastrophe kommen.
Und ich war in der idealen Position für diese Aufgabe.
Zuerst mußte ich aber die polyordinalen Koordinaten der riesigen Zeitmaschine orten, die das Ganze mit Energie versorgte.
Sie war ganz außerordentlich geschickt verborgen. Ich suchte in tausend Sackgassen, kehrte um und begann von vorn, eliminierte, grenzte die Möglichkeiten ein.
Und fand sie schließlich.
Und wußte, was ich zu tun hatte.
Ich löste die Stasis des Zeitsenderfeldes und wurde ins Nichts geschleudert.
32.
Es war ein grelles, ohrenbetäubendes Pandämonium von einer Stadt. Stangen und Flächen, bebende Kurven, Ecken und Winkel von
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