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Zeit-Odyssee

Zeit-Odyssee

Titel: Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Laumer
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sterben. Die Frau wartete auf mich, drüben, in dem kahlen Zimmer in der Stadt. Ich war hierhergekommen, in den Hafen, um Geld für Lebensmittel und Heizungsmaterial zu verdienen. Gefährliche Arbeit, aber sie brachte uns Brot und Kohlen.
    Den anderen, aber nicht mir.
    Ich hatte den Ärmel aus meiner Jacke gerissen und damit das Bein abgebunden. Der Schmerz war jetzt dumpfer geworden, weiter entfernt. Ich konnte mich eine Weile ausruhen, und dann konnte ich den Rückweg versuchen.
    Es wäre einfacher und weitaus angenehmer, hier zu sterben. Aber sie würde glauben, daß ich sie verlassen hatte.
    Zuerst jedoch, ausruhen …
    Zu spät erkannte ich, daß ich mich in einer Falle gefangen hatte. leb hatte den Schlaf als Gast geladen, aber der Tod war zur Tür hereingeschlüpft.
    Ich stellte mir ihr Gesicht vor, wie sie auf mich wartete und in das verräucherte Zwielicht der Megalopole hinausstarrte. Ihr Gesicht, wie sie wartete – umsonst.
    Mellias Gesicht.
     
    Und wieder war ich in dem hell erleuchteten Raum.
    Mellia lag in ihrem Stuhl – reglos vor Qual.
    »Sie sind überaus geschickt, Karg«, sagte ich. »Sie lassen mich miterleben, wie sie empört ist, leidet, stirbt. Aber rein körperliches Leiden ist nicht genug für Ihre Sensoren. Also fügen Sie auch noch die seelische Qual der im Stich gelassenen, enttäuschten Frau hinzu.«
    »Ein bißchen zu melodramatisch ausgedrückt, Mr. Ravel. Sie müssen doch einsehen, daß eine Steigerung der Reize für unser Vorhaben wesentlich ist.«
    »Großartig. Was kommt jetzt?«
    Statt einer Antwort legte er den Schalter um.
     
    Wirbelnder Rauch, der stechende Schwefelgestank von Sprengstoff, pulverisierten Backsteinen, verkohlendem Holz, brennendem Teer, versengtem Fleisch. Das Brüllen der Flammen, das Krachen und Poltern herabstürzenden Mauerwerks, im Hintergrund lautes Wehklagen, extremster Ausdruck der Masse Mensch in höchster Not, aber ein kleiner, schwacher, unbedeutender Laut gegen das Dröhnen der Maschinen, das Kreischen und Donnern fallender Bomben.
    Ich schleuderte einen herabgefallenen Balken beiseite, erklomm einen Trümmerhaufen, stolperte auf das Haus zu, dessen eine Hafte noch stand. Daneben klaffte ein tiefes Loch, in dem aus einem zerfetzten Kanalisationsrohr Abwässer hervorsprudelten. Die Schlafzimmerwand war verschwunden. An der verschossenen ockergelben Tapete hing schief ein Bild. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, als sie das Bild in der Petticoat Lane gekauft hatte.
    Eine unheimliche Vogelscheuche, eine komische Figur mit geschwärztem Gesicht und nur noch einem halben Kopf voller Haare kam aus der verkohlten Öffnung, die früher einmal die Haustür gewesen war, und hielt eine zerbrochene Puppe auf den Armen. Ich lief auf sie zu, blickte auf das kalkweiße, bläulich angelaufene Gesicht mit den grauen Lippen und den eingesunkenen Augen hinab – auf das Gesicht meines Kindes. Eine tiefe Delle lief ihr quer über die Stirn, als hätte jemand eine Brechstange in das wachsgleiche Fleisch gedrückt. Ich sah wieder auf, in Mellias Augen; ihr Mund stand offen, ein heiseres, unaufhörliches Klagen drang aus ihrer Kehle …
     
    Stille und helles Licht umschmeichelten mich.
    Mellia lag bewußtlos auf ihrem Stuhl, stöhnend und um sich schlagend, aber die Gurte hielten sie fest.
    »Langsam, Karg«, warnte ich. »Sie haben doch die halbe Ewigkeit zur Verfügung. Weshalb gleich so gierig sein?«
    »Ich mache ausgezeichnete Fortschritte, Mr. Ravel«, sagte er. »Eine sehr brauchbare Spur, diese letzte. Die Leiden des geliebten Menschen – überaus interessant.«
    »Sie machen sie kaputt«, sagte ich.
    Er betrachtete mich wie ein Laborant seine Versuchstiere.
    »Wenn ich das merke, Mr. Ravel, werden sich Ihre schlimmsten Befürchtungen erfüllen.«
    »Sie ist ein Mensch, Karg, keine Maschine. Und einen Menschen brauchten Sie doch, nicht wahr? Weshalb bestrafen Sie sie, weil sie nicht sein kann, was sie nicht ist?«
    »Bestrafen? Das ist ein menschlicher Begriff, Mr. Ravel. Wenn ich feststelle, daß ein Werkzeug zu weich ist, kann ich es unter Umständen mit Hitze und Druck härten. Wenn es darunter zerbricht, beseitige ich es.«
    »Verringern Sie nur ihr Tempo ein wenig. Lassen Sie ihr Zeit, sich zu erholen …«
    »Sie wollen mich hinhalten, Mr. Ravel. Um Zeit zu gewinnen. Sehr durchsichtig, dieses Manöver.«
    »Verdammt noch mal, Sie haben doch schon genug Daten! Warum hören Sie nicht endlich auf?«
    »Ich brauche noch das wichtigste Experiment

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