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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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bis zum ersten Blutstropfen?«
    Wass lächelte nur schief.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte Beauty zu Jasmine. »Der Tod ist bei diesen Leuten ein Sport. Sei vorsichtig.«
    Er war nervös und verkrampft und machte sich Sorgen um die Neurofrau; er hätte lieber selbst gekämpft, als ihr beim Kampf zusehen zu müssen.
    Die Duellanten traten in die Mitte des Raumes, bogen ihre Klingen, um sie zu prüfen, führten ein paar Stöße in die Luft aus, fintierten mit Schatten. Schließlich hörten sie auf. Wass trat hinaus und blieb außerhalb des Kreises zwischen ihnen stehen. Sie grüßten einander mit den Waffen, den Griff am Kinn, dann die Klinge in weitem Bogen hinab- und hinausgeschwenkt. Anschließend drehten sie sich herum und grüßten Wass auf dieselbe Weise.
    »Fechter, en garde …« , sagte Wass.
    Sie stellten sich auf, nahmen die Grundstellung ein, kreuzten die Klingen.
    »Pret …« , sagte Wass.
    »Pret«, sagte die maskierte Frau.
    »Fertig«, sagte Jasmine.
    Eine lange Pause. Ein Standfoto.
    »Allez!« rief Wass und trat zurück.
    Wild hieben die Klingen dreimal aufeinander ein: Finte, Parade, Nachstoß, Finte, Parade, Nachstoß. Wieder Stille. Die Fechterinnen umkreisten sich.
    Jede wusste nun ungefähr, wie schnell die andere war, aber wenig vom Können. Jede Kämpferin unternahm eine Reihe einfacher und komplizierterer Attacken, um festzustellen, wie die Gegnerin parierte, um die Reaktionszeit zu prüfen, die Art des Fechtens an sich zu erkennen. Jasmine trug ein Double vor, die Maskierte antwortete mit einer Gegenparade. Jasmine nahm sie nicht an, ging über zum Triplé, zu einer Coupé-dégagédesous, über die Klinge der Gegnerin hinweg, dann unter ihr hindurch. Die Maskierte parierte seitlich, aber Jasmine ließ sich fast auf die Knie fallen – streckte ihren Degen aus, und Zentimeter unter dem zischenden Stahl der Maskierten, der horizontal durch die Luft sauste, traf die Degenspitze der Neurofrau die Maskierte an der rechten Körperseite unterhalb der Leber und drang zweieinhalb Zentimeter tief ein, bevor die Frau überrascht zurücksprang. Die dreieckige Klinge hinterließ ein offenes, schwarzes Loch in ihrem Bauch, aus dem es beinahe augenblicklich dick und rot quoll. Das erste Blut.
    Die Zuschauer ächzten. Die Maskierte blickte auf ihre Wunde hinunter. Ihre grünen Augen zuckten im Kerzenlicht. Wieder umkreisten sich die Kämpferinnen.
    Im Publikum wurde geflüstert. Man wettete, setzte ein, rief Gottheiten an, machte Vorschläge. Die Maskierte schien als Favoritin zu gelten, aber die zähe Plastikhaut der Neurofrau und ihre Schnelligkeit fielen stark ins Gewicht.
    Wieder flirrten die Klingen. Das Gespräch unter den Zuschauern erstarb. Es ging lange, ein kompliziertes Geflecht von Finten, Täuschungen und Attacken, an dessen Ende die Duellanten corps-à-corps standen, die Degen an den Griffen gekreuzt, schweratmend, während sie einander aus nächster Nähe in die Augen starrten. Jasmine löste sich, stampfte zur Ablenkung mit dem Fuß und schwang die Klinge vorwärts. Die Maskierte sprang rasch zurück, konnte Jasmines Degenspitze aber nicht ganz entkommen – die Waffe zog eine dünne rote Linie über die Brust der Maskierten, von Schulter zu Schulter. Es war aber ein zu heftiger Stoß gewesen, der Jasmine ein wenig entblößte; die Maskierte beachtete ihre Verletzung nicht und stieß blitzschnell zu – hin und zurück – wobei sie Jasmines Oberarm völlig durchbohrte. Wieder traten sie auseinander.
    Jasmine hatte schon zweimal getroffen, die ESS-Frau nur einmal. Aber Jasmines Wunde war gefährlich. Neuromenschen kannten keine hämostatische Automatik, so dass selbst der kleine Schnitt weiterblutete, bis die Wunde verschlossen wurde. Jasmine konnte also durch einen kleinen Riss in ihrer Außenhaut verbluten. Während sie einen Kreis beschrieb, gelang es ihr, ein Loch mit einem Fetzen Stoff ihrer Bluse zu verstopfen. Inzwischen parierte sie ein paar wilde Stöße. Sie konnte aber nicht an die Ausgangswunde am Armrücken gelangen, so dass es dort weiterblutete.
    Josh und Beauty standen angespannt an der Theke. Sie verfolgten jede Bewegung, jedes Zucken. Nur mit großer Mühe konnten sie sich zurückhalten. Die Blutgier im Raum war auf dem Höhepunkt, die Luft knisterte vor Erregung. Joshuas Sinne waren im Ungleichgewicht durch die fremde Umgebung, den ungewissen Ausgang, die labile Atmosphäre. Auch Beauty war verkrampft vor Sorge; er wollte nicht, dass diese Neurofrau starb. Dunkle

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