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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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plötzlich von den Hafenanlagen über ihnen flammende Trümmer herabstürzten. Er musste sie unter dem Scheiterhaufen herausführen. Mit kraftvollen Zügen schwamm er davon.
    Seine Kraft ließ jedoch nach, und die drei Freunde, die an ihm hingen, behinderten ihn zusätzlich. Die Nacht lastete schwer auf ihm; das Wasser wirkte immer mehr wie ein Ruhebett; nach dreißig, vierzig Metern begann er im Hafenwasser zu versinken. Wie in einer Vision sah er in der Stille langsam ein Schiff auf sich zugleiten. Ein Geisterschiff. Er konnte es nicht deutlich sehen, bis es sie fast erreicht hatte, dann war es plötzlich deutlich erkennbar: eine Dschunke, klein, ohne Positionslampen, am Ruder Wass. Mit kraftvollen Neuromensch-Armen schaffte sie es, alle an Bord zu ziehen.
    So lagen sie, triefend, halb bewusstlos, als die orientalische Neurofrau die alte Dschunke zwischen den vielen vor Anker liegenden Schiffen hinaussteuerte in die stille Bucht.
     
    Während der Nacht schaukelte das kleine Schiff zwischen seinen Genossen ruhig im Wasser. Unter Deck schliefen unruhig die Jäger und stürzten von Traum zu Traum. In der Ferne am Ufer brannten, schwelten, loderten Gebäude.
    Als es ruhiger geworden war, griff Wass nach einer dicken brennenden Räucherkerze und verschloss die Löcher in Jasmines Arm und Rücken, um die langsame Blutung aufzuhalten. Der angerichtete Schaden war vergleichsweise gering. Die Armwunde hatte Verbindungen zur Hand durchtrennt, so dass ihre beiden mittleren Finger nicht mehr bewegt werden konnten. Die Wunde am Rücken war nicht sonderlich nachteilig. Neuromenschen trugen in der Brusthöhle eine atomare Energiezelle (in Blei verpackt, dann stahlumschlossen, demzufolge nicht zu beschädigen) und eine Glukose-Speicherreserve, nicht so gut geschützt, aber auch durch Schäden nicht im selben Maß gefährdet. Es war Jasmines Glukosebehälter gewesen, den Corks Messer im Rücken durchbohrt hatte, aber die Neurofrau hatte nicht größeren Schaden erlitten, als dass zusammen mit dem Hämo-Öl auch Zucker ausgelaufen war. Wass ersetzte die verlorene Flüssigkeit durch eine Ersatzdose Hämo-Öl, die sie im Frachtraum der Dschunke aufbewahrte.
    Freilich litten alle an Rauchvergiftung. Erst am nächsten Morgen begannen sie zu husten, als sie aufstanden. Beauty hatte Schmerzen am ganzen Körper. Isis hasste das Nasse. Josh erbrach sich über die Bordwand, und Jasmine schlief einfach weiter. Wass brütete vor sich hin.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte sich Josh zum dritten Mal. »Ich wollte dir wirklich nicht das Haus über dem Kopf anzünden, ich habe einfach nicht überlegt, sondern –«
    Wass hob die Hand.
    »Es ist geschehen, sprechen wir nicht mehr darüber. Wir sind alle am Leben. Jetzt müssen wir nur darauf achten, dass es auch so bleibt.«
    »Wieee«, murmelte Isis in ihren verfilzten Pelz hinein. Selten hatte ein Tier so räudig ausgesehen.
    »Wir können nicht zurückgehen, soviel steht fest«, sagte Wass. »Von jetzt an jagen euch die Freunde von Skri und der ESS-Frau.«
    »Sie werden glauben, wir seien bei dem Brand umgekommen«, meinte Beauty.
    »Vielleicht«, sagte Wass.
    »Aber was ist mit dir?« fragte Josh. Es tat ihm zutiefst leid, dass er Wass durch den Brand das ganze Leben zerstört hatte.
    »Ich bin auf Gedeih oder Verderb mit euch verbunden. Man sah mich mit euch reden und rauchen. Hier wäre es nicht mehr gut für mich. Bestenfalls würde man mich auf die vage Chance hin foltern, dass ich weiß, wo ihr seid. Nein, es ist am besten, wenn ich eine Generation lang verschwinde. Vielleicht kann ich eines Tages aus der Asche wieder auferstehen, wenn der Rauch sich verzieht und die Glut erstirbt.«
    Joshua verstand Wass nicht. Sie kam ihm rätselhaft, sonderbar und mächtig vor. Er hielt sie für eine Hexe.
    »Wie hast du uns gestern Nacht unter dem brennenden Dock gefunden?« fragte er.
    Sie lachte kurz und trocken.
    »Ich habe euch nicht ›gefunden‹. Das war der einzige Fluchtweg. Ich habe auf euch gewartet. Meine Dschunke liegt dort ständig vor Anker, für solche Notfälle.«
    »Aber woher hast du gewusst, dass wir entkommen würden?«
    »Ich wusste es nicht«, sagte sie leise, in einem Ton, der dem Gespräch ein Ende machte.
    Josh ließ es auf sich beruhen. Er wusste, dass es vieles gab, was er nie verstehen würde.
    Beauty hatte sich an die Steuerbordseite gelegt. Er war froh, die Stadt hinter sich zu haben. Wie Josh fiel es ihm schwer, sich mit Wass’ Art abzufinden, aber das beunruhigte

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