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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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über seine Unterlippe. Dann sprang sie hinunter, lief zehn Meter in den Wald hinein, blieb stehen, drehte sich um, sah sie an und riss die Augen auf. Die Pupillen waren von dunkler Erregung geweitet. Josh und Beauty starrten in die Fremdheit ihres schwarzen Katzengesichts und begriffen im selben Augenblick, dass sie schwarze, kreisrunde Pupillen in blauer, runder Iris ansahen, zwischen gewölbten Augenlidern mit schwarzen Wimpern; Augen, die nicht von einer Katze waren, sondern menschlich.
    Ihre Mundwinkel gingen nach hinten, und sie fauchte:
    »Jaaaa.« Dann warf sie sich herum und lief katzenschnell in den Wald. Josh und Beauty rannten hinterher.
     
    »Du da, was machst du?« zischte der Vampir. Er hatte lange schwarze Haare und hieß Bal.
    Dicey schüttelte dumpf den Kopf. Sie hatte zuviel Angst, um etwas sagen zu können. Bal schritt auf sie zu und riss sie grob vom Höhlenboden hoch. Niemand sonst rührte sich. Rose stand still in der Nähe, einen großen Stein hinter dem Rücken; sie wollte dem Vampir den Schädel einschlagen, wenn er sich an Dicey vergriff.
    Bal blickte auf den Boden, wo das junge Mädchen gesessen hatte. Er sah, dass sie ein Stück Kreide gefunden und auf den Stein immer wieder dieselben Worte geschrieben hatte. Er las laut vor: »DAS WORT RETTET UNS. WIR SIND FREI.« Er lachte, riss Dicey die Kreide aus der zitternden Hand und besserte die Sätze aus. Nun stand dort: ›DAS WORT KETTET UNS. WIR SIND UNFREI.‹ Er lachte wieder, drehte sich auf dem Absatz um und ging zu den Vampiren zurück, die sich durcheinander drängten.
    Rose trat an Dicey heran.
    »Keine Angst, es ist vorbei«, flüsterte sie, aber Dicey konnte nicht aufhören, zu zittern, konnte den Blick vom Boden nicht abwenden, wo Bal den Sinn ihrer Worte entstellt hatte.
    Bal rief den versammelten Wesen Befehle zu. Ein Greif stand neben dem Vampir und schärfte seinen verletzten Schnabel an einem Stein.
    »Also«, rief Bal, »wir ziehen weiter! Treibt die Gefangenen hinaus, sechs auf einen Wagen, beeilt euch, hol euch das Eis! Wir trennen uns am Süd-Sumpf und stoßen auf der anderen Seite des Waldes wieder zusammen! Mach schon, du Fettwanst! Komm, Uli, hilf dem Unglücksfall!«
    Langsam begannen die Unglücksfälle und Vampire die Menschen in die Karren mit ihren Planen zu stopfen. Rose hielt sich an Dicey und Ollie fest, damit sie im Durcheinander nicht getrennt wurden.
    Diceys Zittern hörte nicht auf.
     
    Der Wald war schön, dunkel und klein. Die drei Jäger ließen ihn rasch hinter sich und zogen nach Osten weiter, mit einer kleinen Abweichung nach Norden.
    Das Gelände war hügelig, bedeckt mit dichtem, braunpurpurnem Heidekraut, das ihre Beine zerkratzte, aber herrlich frühlingshaft roch. Einmal flogen hoch über ihren Köpfen Lerchen, von West nach Ost unterwegs. Ein gutes Omen. Frühlingsblumen erprobten die Luft, und die Brise war sanftes Gelächter. Alles in allem ein guter Tag für Reisen.
    Und niemand liebte Abenteuer mehr als Isis. Sie war geradezu in Hochstimmung. Sie rannte durch Gestrüpp und Kurzgras immer wieder voraus und ließ die anderen hundert Meter zurück, wartete bis Josh und Beauty sie einholten, worauf sie erneut vorauslief.
    Ab und zu kamen sie an einem Totem oder Fetisch vorbei – einem Knochenhaufen, einer Federmaske –, hergestellt von einem örtlichen Schamanen, um das Böse abzuwenden. Isis reagierte darauf seltsam. Manchmal schlich sie sich auf Zehenspitzen an und schnupperte minutenlang; anderes beachtete sie gar nicht. Einmal fauchte sie, attackierte und floh; einmal hüpfte sie hin, als hätte sie genau darauf gewartet, und pisste ungeniert. Josh und Beauty behandelten sie alle gleichermaßen uninteressiert – die einzige Bedeutung solcher Zeichen lag für sie in ihrem Zustand des Verfalls, der erkennen ließ, wann Einheimische zuletzt hier gewesen waren.
    Sie querten als nächstes eine große Ebene, wo Krater das Gelände sprenkelten. Auf diesem Gebiet zwischen Meer und Wald waren viele Schlachten in vielen Kriegen ausgefochten worden. Die großen Löcher, an denen sie vorüberkamen, waren viele Jahrzehnte alt, denn sie sahen glatt aus, waren alle nicht tief und voll Gras.
    Am Ende der Ebene erreichten sie eine Erhebung, die sie mühelos bezwangen. Oben stießen sie auf ein Plateau, das steinhart und völlig flach und grau war. Sie blieben hier kurze Zeit und rasteten. Das Plateau hatte die Form einer riesigen, an die fünfzehn Meter breiten und fünfzig Meter langen Tafel. An beiden

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