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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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Schwanz klatschte, nichts bewegte sich. Nur einmal vielleicht konnte man das Flattern eines Riesenvogels hoch über den höchsten Bäumen hören – aber dieses Geräusch, wenn überhaupt vorhanden, wurde rasch vom schwachen, muffigen Wind verweht und in die Tiefen des Waldes getragen.
    So war es. Schwarz, kalt, still, lautlos. Atem verloren oder angehalten, ein Stocken im Fluss der Dinge, der …
    Ein voller, tiefer Schrei des Wahnsinns zerriss dieses Gewebe. Es war ein blinder, nicht-menschlicher Laut, grauenhaft und abgerissen.
    Die fünf blieben stehen, lauschten, hielten den Atem an. Dieser Wald barg Unglücksfälle.
    »Es ist nicht weit«, flüsterte Jasmine.
    Beauty hatte einen Pfeil eingelegt.
    Sie schlichen auf Zehenspitzen über einen Wildpfad in ein Dickicht. Nacht und der Geruch nach feuchter Erde umgaben sie wie andere Arten Unterholz. Ein neues Geräusch, aus einer anderen Richtung, ließ sie alle gleichzeitig die Köpfe drehen. Etwas raschelte. Dann ein Knacken.
    Links flutete Licht auf. Josh riss unwillkürlich den Arm vor die Augen. Beauty hob den Bogen. Es sah aus, als bräche ein Ur-Lichtstrahl aus der Nacht hervor. Dann sah Josh nicht weit entfernt im Unterholz in der Felswand, die kerzengerade wie eine Hausmauer aufragte, eine Art Lichttür aufgehen. Er begriff, dass es wirklich eine Tür war, die im Felsen aufging, und dass aus dem Felsen Licht strahlte. Nun stand eine Gestalt in der Tür, vor den Lampen im Hintergrund scharf abgezeichnet. Jasmine ging auf die dunkle Gestalt in der Felswand zu.
    »Ist Lon da?« fragte sie leise.
    »Wen soll ich melden?« sagte die Gestalt in der Tür. Sie winkte die fünf Flüchtlinge rasch herein und schloss hinter ihnen die Tür. Draußen war von ihr nichts mehr zu bemerken. Man sah einen großen Felsblock, auf der einen Seite flach und moosbewachsen, halb im Urwald vergraben.

 
Kapitel 5
     
    Worin die Reisenden von einem neuen
    Tier im Süden erfahren
     
    I m Inneren war aus dem Gestein ein kleiner Raum ausgehöhlt, dessen Wände und Boden aus Fels waren. Eine Treppe führte in das Erdinnere hinab. Sofort, als die Jäger hereinkamen, führte der Türsteher sie zwei lange Fluchten Steinstufen hinab. Es ging so steil hinunter, dass Beauty zweimal beinahe stürzte und sich mit den Händen an den Wänden hinabtasten musste.
    Endlich erreichten sie ebenen Boden. Ein geräumiger Tunnel führte sie gewunden viele Schritte zu einem hohen gotischen Bogen, durch den man einen holzgetäfelten Raum erreichte, zehn mal fünfzehn Meter groß, fünf Meter hoch, mit Zedernholz ausgeschlagen. An den Wänden hingen Gemälde, beleuchtet von goldenen Kandelabern. Dickgepolsterte, samtbezogene Sessel gab es in Fülle, dazu orientalische Teppiche und kristallene Lüster.
    »O-hooo«, miaute Isis.
    Der Türsteher ging. Plötzlich kam ein ausnehmend gutaussehender Mann mit kurzen, glatten Haaren herein. Seine Augen waren empfindsam und tiefgründig, die Haut von rötlichem Teint, die Finger lang und kräftig. Er zeigte das überlegene Lächeln eines zivilisierten Herrn. Der Mund war an den Winkeln markiert durch je einen sanft geschwungenen Fangzahn. Er war ein Vampir.
    Er spreizte die Flügel, als er Jasmine sah. Sein Lächeln wurde breiter. Sie lief mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Er umarmte sie und presste die Lippen auf ihren Hals.
    »Lon«, murmelte sie.
    »Jasmine.« Er sprach ihren Namen ›Schahsmin‹ aus. Seine Stimme war tief wie die Grotte.
    »Brrr!« warnte Isis. Josh und Beauty waren verkrampft, verwirrt, fluchtbereit. Josh verfluchte sich dafür, so blind in eine Falle getappt zu sein, und fragte sich, ob er aus der Nähe einen Vampir würde töten können. Beauty maß die Entfernung zur Tür, zu dem Wesen. Er wollte nicht anfangen. Verrat musste stets im Nachteil sein, wenn er sich zu offenbaren hatte. Summina flatterte fassungslos im Zimmer herum.
    Jasmine löste sich endlich aus der Umarmung mit dem Vampir und drehte sich nach den anderen um.
    »Das ist mein Freund Lon«, sagte sie. »Hier sind wir sicher. Lon, das sind meine Freunde … aber ich weiß eure Namen gar nicht«, unterbrach sie sich mitten im Satz.
    »Josh, Beauty, Isis und Summina«, sagte Joshua und zeigte der Reihe nach auf seine Begleiter. Seine Stimme klang gepresst.
    Lon verbeugte sich aus den Hüften, so tief, dass seine Stirn beinahe den Boden berührte.
    »Es ist mir die größte Ehre, die Freunde meiner Freundin zu begrüßen«, sagte er. Sein Körper war in seidene Gewänder aus

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