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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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wie plötzlich aufrauschender kühler Regen an einem heißen Sommertag. Josh öffnete die Augen und hob sein Glas.
    »Auf unseren Gastgeber«, sagte er und trank. Isis nickte und schlabberte aus ihrer Schüssel. Sogar Beauty schien aufzuatmen.
    »Dann kann die Mahlzeit beginnen«, erwiderte Lon und läutete mit seiner kleinen Glasglocke.
    Zwei Jungen und zwei Mädchen kamen herein und brachten auf silbernen Tabletts Appetitanregendes – Früchte, in „Wein getränkt, gewürzte Fischbissen, panierte Wildherzen, Innereien und sauer eingelegte Echsenschwänze.
    Die Diener trugen entweder gar keine Kleidung oder seidene Gewänder. Jasmine brachte man einen Leinenkaftan. Erst als die wunderschöne Neurofrau ihn angelegt hatte und plötzlich nicht mehr nackt war, wurde Joshua sich ihrer sexuellen Ausstrahlung bewusst, die ungeerdeter Elektrizität oder einer heißen Springquelle glich, die sich Durchbruch zu verschaffen suchte. Beauty bemerkte es auch, blickte als wahrer Gentleman aber zur Seite.
    Neue Getränke.
    Dann kamen Suppen: Suppe aus Wanderdrosseleiern, aus Taubenleber, aus Honiggras. Jede Speise war ein Kunstwerk für Auge wie Gaumen; jedes Werk meisterlich. Joshua saugte die neuen Empfindungen auf wie ein Schwamm.
    Als nächstes begann die Musik. Auch das Kammermusik-Quartett war in Orangerot und Braun gekleidet, die Farben des Hauses. Die Instrumente waren Flöte, Harfe, Lyra und Cello. Die lyrischen Melodien erfüllten den Raum, subtil wie Erinnerungen, wiederkehrend gleich den Wellen einer versteckten Lagune. Josh hatte plötzlich das sonderbare Gefühl, all dies sei schon einmal gewesen – er hätte sich hier in dieser Umgebung schon einmal befunden, umgeben von Luxus, auf dem weichen Kissen, umsorgt von den duftenden Dienern –, obwohl das nicht sein konnte.
    Mehr Wein. Die Hauptgerichte wurden gebracht: gefüllte Gänse, gegrillter Tintenfisch, sautiertes Jungkalbfleisch, so zart, dass es auf der Zunge zerging, saftige Käseschnitten, geröstet, kandierte Austern, Lamm-Tatar. Man spielte leichtere Musik, das Tischgespräch wurde lauter und fröhlicher, der Abend gesellig. Dann wurde getanzt.
    Sieben schöne junge Männer und Frauen tanzten verschleiert, wie besessen, zwischen den Skulpturen am anderen Ende des Saales. Lon erwähnte stolz, sie seien seine Lieblingskonkubinen. Er rief eine heran, die Lissa hieß. Sie lief auf ihn zu, massierte seinen Nacken, setzte sich zu ihm, aß ein wenig mit, während er sie streichelte. Ein anderer – ein Junge namens Peter – schien eifersüchtig zu werden, kam auf Lons andere Seite und versuchte den Vampir zu umgarnen. Lon verlor jedoch das Interesse und schickte beide zu den Tanzenden zurück. Josh beobachtete die beiden, als sie zum Harem zurückkehrten. Er sah, dass ihre Hälse an den Schlagadern grün und blau waren.
    Nachspeisen. Pasteten, Torten, Früchte, Käsesorten. Kognaks. Kaffees. Zu rauchen. Ein Mann mit Wieselgesicht trat auf und führte Zauberkunststücke vor. Das Feuer loderte, die Musik wurde ruhiger. Summina erwachte, flatterte ein paar Mal im Raum herum, schlürfte Glüh-Obstwein aus einer Schale, schlief wieder ein. Die Nacht war friedlich-mild geworden.
    Lon paffte eine Pfeife mit langem Stil und lehnte sich zurück. Rauchschwaden lagerten wie geronnene, schläfrige Luft. Zuvor lebhafte Gestalten begannen sich in den Ecken zusammenzurollen.
    »Und nun das Unerfreuliche«, sagte Lon.
    Josh berichtete. Lon lauschte aufmerksam und interessiert. Von Zeit zu Zeit nickte er. Als Josh verstummte, betrachtete Lon kurz seine Fingernägel und begann zu sprechen.
    »Nun, Jarls Soldaten sind für euch kein Problem mehr, glaube ich. Was die anderen angeht … Ich kenne diesen Sire Bal. Ein Sangnoir. Schlechtes Blut.«
    Vampire nannten andere Vampire stets ›Sire‹, auch dann, wenn sie einander nicht mochten. Lon zeigte seinen Widerwillen, indem er die Lippen zurückzog und aggressiv die Fangzähne entblößte.
    »Es ist aber nicht nur Bal«, erklärte Beauty. »Gerüchte schwirren. Menschen werden entführt. Man bezichtigt Vampire.«
    »Und ich bin auch nicht sicher, dass wir die JEGS so leicht losgeworden sind«, fügte Joshua hinzu. »Sie haben uns auf einer Fährte gefunden, der zu folgen sogar mir schwer gefallen wäre.«
    Lon nickte ernst.
    »Mag sein. Was die Gerüchte angeht, die Sie ansprechen – es sind mehr als Gerüchte. Zweifellos ist etwas im Gange.« Er verstummte kurz, blickte in seine Pfeife und sprach weiter. »Im Süden gibt es ein

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