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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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ein Gerücht, das die Dinge vernebeln sollte; eine Nebelwand, um schlichte Machtausdehnung der Vampire, Terrorismus der Unglücksfälle, blutige Anarchie, Sklavenhandel zu verbergen. Oder war es doch etwas ganz anderes?
    Joshua dachte an das Rache-Recht. Nach den alten Gesetzen war persönliche Rache an denen, die persönliche, unprovozierte, gewalttätige Verbrechen begangen hatten, erlaubt und wurde sogar erwartet. Josh fühlte sich zu seiner Rache rechtlich und moralisch berechtigt. Obwohl es natürlich keine Gesetze mehr gab, jedenfalls keine, die jedermann einhielt oder als gerecht betrachtete. Joshua hatte Gesetzbücher gelesen und wusste nicht mehr genau, ob das Rache-Recht noch Bedeutung besaß oder ob es auf derselben Kraft und dem Ethos beruhte wie das Handeln der Wesen, die seine Familie gemordet und entführt hatten: auf der Kraft des Willens. Er dachte daran, dann fiel ihm ein, dass Beauty vielleicht doch recht hatte. Es war nicht gut, zuviel zu lesen.
    Ganz gewiss fanden das die meisten anderen Tiere – Lesen galt als böse, als Makel. Es machte die Schreiber zu Außenseitern. Es schloss sie von der Gemeinschaft der Tiere als solcher aus und schweißte die Schreiber deshalb um so fester zusammen. Die Schreiber gewannen daraus das Gefühl, zugleich besser und schlechter zu sein als alle anderen Wesen. Deshalb hielten sie Distanz.
    Seit seiner frühesten Zeit hatte Josh dieses Gefühl gekannt, ein Außenstehender zu sein – dass man ihn wegen seines Geburtsrechts gleichzeitig fürchtete, beneidete und verabscheute. Das veranlasste ihn, wie schon so oft, über die Ursprünge der Schreibkunst nachzudenken. Frühe religiöse Schriften datierten sie auf sechstausend Jahre Vor dem Eis zurück – als das Wort dem ersten Menschen offenbar geworden war. Alle anderen Wörter waren aus diesem ersten Wort entstanden, aus Umstellungen und Kombinationen der allerersten Buchstaben. Im ersten Zeitalter Der Dunkelheit war das erste Wort verloren gegangen, und seit dieser Zeit suchten alle Gelehrten danach. Es gab Hinweise darauf in nachfolgenden, abgeleiteten Texten, Verweisungen und auf die ursprünglichen Dokumente -Fußnoten zum Wort. Aber die meisten Bücher waren im Weltbrand Vor dem Eis zerstört worden – man würde das Wort also kaum jemals wieder finden, sowenig wie die wahren Ursprünge der Religion. Danach musste er Jasmine fragen. Vielleicht konnte sie ihm weiterhelfen.
    Der Tag dehnte sich, sie gingen beharrlich weiter. Beauty bemerkte eine natürliche Senke im Gelände, das Ende der Gebiete, über die Jarl die Oberherrschaft ausübte – Beginn des Dogenreichs. Freilich konnte seit dem Rassenkrieg niemand Land wirklich für sich beanspruchen, aber verschiedene Mächte hatten verschiedene Gebiete, wo sie stark und einflussreich waren. Das Ansehen der JEGS ließ in den südlichen Provinzen jedenfalls nach.
    Beauty schätzte Jarl gewiss mehr als den Dogen und war deshalb ein wenig unruhig. Er hatte mit Jarls Infanterie im Westen gekämpft und das stolz getan. Jarl glaubte an Tiertugenden, nicht an menschliche Ästhetik. Jarl wusste nichts von Moral, aber er wusste, was recht war. Krieg oder nicht Krieg, er kämpfte für sein Wissen.
    Wie Beauty auch. Dem Zentaur ging etwas auf: Man durfte für das kämpfen, was im Augenblick richtig war; das gehörte zu den Tiertugenden. Man brauchte sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, was früher einmal richtig gewesen war oder überhaupt gewesen sein mochte. Das waren menschliche Launen, Illusionen von Schreibern. Deshalb kam es auch nicht wirklich darauf an, woher seine Rasse stammte. Was vor seiner Erinnerung lag, spielte überhaupt keine wesentliche Rolle. Der Gedanke heiterte ihn auf. Herkunft, das war menschlicher Dünkel – Beauty konnte seine Kraft aus dem Sein der Tiere ziehen.
    Er reckte die Nase in den Wind. Bald würde es regnen. Schlecht für die Fährtensuche. Beauty unterdrückte den Drang, schneller zu laufen, um Joshua zu schonen. Er spürte die Hände seines Freundes locker an seiner Mähne und ging im Schritt weiter.
    Der Alte im Himmel räusperte sich, und die drei Genossen hoben die Köpfe, als es donnerte.
    Trotz des dräuenden Himmels wurde Josh schläfrig.
     
    Nach nicht einmal einer Stunde waren sie im Wald der Tränen. Jahre vorher als Tribut an irgendeine jetzt unbekannte Person oder Idee gepflanzt, hatte der Wald sich rasch ausgebreitet. Zumeist waren es Trauerweiden, so dicht jetzt, dass man sich zwischen ihnen hindurchschlängeln

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