Zeit und Welt genug
bekommt er von mir etwas, woran er für den Rest seines kurzen Lebens denkt.«
»Dann wollt Ihr also doch nach Süden – gegen den Dogen selbst ziehen?«
»Ich halte mich schon seit einiger Zeit in diesem Wald auf. Zur Zeit gefällt es mir gut.«
»Aber wenn Eure Armee größer wird, dann zieht Ihr nach Süden?« drängte sie.
D’Ursu wurde wütend.
»An diesen Baum stellt der Richter die Fragen!« knurrte er.
Jarl lächelte.
»Wie es mir in den Sinn kommt. Ich ziehe vielleicht in der Tat nach Süden.«
Jasmine trat einen Schritt zurück.
»Ich frage nur, Euer Tierehren, weil es, wie Ihr vielleicht wisst … im Süden ein neues Tier gibt, dessen Absicht darauf gerichtet scheint, andere Tiere zu beherrschen …«
»Kaum von Belang …« Jarl winkte ab.
»Aber Ihr habt eben gesagt …«
»Von wenig Belang, da meinen Kenntnissen zufolge von den Überfällen dieses neuen Tieres nur Menschen betroffen sind. Und da dieses so genannte neue Tier ganz gewiss selbst menschlich ist – da nur Menschen jemals ein solches abnormes Verhalten an den Tag gelegt haben –, und da es für mich von wenig Belang ist, was Menschen einander antun, solange ihr Wahnsinn und ihre Ungerechtigkeiten nicht andere Tiere schädigen …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Die Schlussfolgerung war klar.
Beauty sah den Bären-König lange an.
»Ihr könnte aber verstehen, Euer Ehren, dass wir die Tiere einholen müssen, die unsere Angehörigen entführt haben, um von unseren Familien zu retten, was wir können.« Er sprach mit dem langsamen Drängen einer Person, die einer anderen unbedingt etwas verständlich machen muss.
Jarl überlegte. Seine Augen glommen. Als er wieder das Wort ergriff, erfasste sein Blick die ganze Gruppe.
»Hört gut zu: Von diesem Mord spreche ich euch frei. Ihr hattet rein den Ruch der Wahrheit an euch, als ihr davon gesprochen habt – ich roch keine Angst und keine Täuschung. Zu der anderen Sache: Ich bitte euch dringend, gebt diesen Rachefeldzug auf. Rache-Recht ist Menschendünkel und ohne jeden Wert für rechtdenkende Tiere. Schließt euch statt dessen meinem fröhlichen Haufen an. Wir wandern frei und ohne Kleinheit der Seele, und das werden wir tun, bis sich unser ansteckender Einfluss über Berg und Tal erstreckt hat.«
Sein Ton klang aufrichtig, seine Botschaft tiefempfunden. D’Ursu Magna erwiderte Beautys bedrückten Blick vielsagend. Josh schüttelte den Kopf. Jasmine kam zur Sache.
»Und wenn wir uns Eurem Kreuzzug nicht anschließen wollen? Wenn wir unseren eigenen Gral suchen?« Jarl, der Bären-König, machte eine weit ausholende Geste.
»Ruht euch in meinem Lager nach Belieben aus. D’Ursu Magna wird es sich angelegen sein lassen, für eure Bequemlichkeit zu sorgen. Bleibt, solange ihr wollt, bis ihr entscheidet – euch mir anzuschließen und den Weg der Tiere zu gehen oder den menschlichen – mit dem Hochmut rassischer Auserwähltheit, der Selbstzerstörung von Habgier und Selbstgerechtigkeit. Ich werde euch morgen früh nach eurer Entscheidung fragen. Ich würde es gleich tun, aber …« er richtete kurz den Blick auf Joshua allein, »ich weiß, dass Menschen länger brauchen als andere Tiere, um zu entscheiden, was das Richtige ist.«
Damit schickte er sie fort, schloss die Augen und verfiel auf der Stelle in einen Zustand kurzen, aber tiefen Winterschlafes.
D’Ursu Magna führte seine Schützlinge in die Mitte der riesigen Lichtung. Dort loderte ein mächtiges Feuer, das Rauch und Licht hinaufsandte, zuletzt durch ein in das Walddach geschnittenes Loch hinaus, mehr als zwanzig Meter über ihren Köpfen. Durch dieses ferne Fenster konnte man am dunklen Himmel Sterne funkeln sehen. Die Nacht war klar.
Josh schaute sich zum ersten Mal prüfend um. Überall herrschte Leben. An einer Stelle zogen Ringkämpfe zwischen Bären die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Die Kämpfer waren umgeben von einem Ring johlender Tiere, die anfeuerten oder spotteten. Auf der anderen Seite veranstaltete man ein Bogenschießen. Menschen und Ursamenschen fochten mit Degenstöcken vor den Bäumen, lachten und trafen. Überall Spiele.
»Bei Neptuns Mittelflosse«, murmelte Jasmine.
»Wenn du das nur nicht immer sagen würdest«, murrte Beauty. Jasmine war in seiner Achtung gestiegen, seitdem sie so offen zu Jarl gesprochen hatte – um so mehr störte es ihn, wenn sie derart krasse Aussprüche von sich gab.
»Beleidigt dich das?« fragte sie erstaunt.
»Es ist gewöhnlich. Und du bist nicht
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