Zeit und Welt genug
Reisegefährten – ein Vampir und ein Greif – und wir sind ihnen seitdem auf den Fersen.«
Jarl beugte sich wieder vor.
»Du, Mensch, wie heißt du?« Er leckte nachdenklich an seiner Tatze.
»Ich heiße Joshua. Ich bin Jäger und Schreiber.«
»Und nach den Klauenspuren an deiner Brust auch ein Kämpfer«, sagte der Bären-König lächelnd. »Aber kannst du auch beweisen, was du behauptest, Joshua Jäger?«
»Er spricht die Wahrheit, bei meinem Ehrenwort«, sagte Beauty feierlich.
»Beauté Centauri hat nie gelogen«, warf D’Ursu Magna ein. »Er –«
»Halt«, sagte Jarl zu seinem Häuptling. »Du wirst Gelegenheit bekommen, D’Ursu Magna. Zuerst höre ich die Angeklagten.«
D’Ursu blickte zu Boden und schwieg. Jarl richtete den Blick wieder auf Joshua.
»Der Beweis«, wiederholte er.
»Es gibt keinen, außer unseren Worten«, erwiderte Josh rundheraus. »Die drei Wesen töteten meine Familie und entführten meinen Bruder, meine Braut und Beautys Frau. Wir machten uns mit Rache-Recht auf den Weg und wollten auch unsere Angehörigen zurückholen.« Er zog eine Schriftrolle aus der Röhre und gab sie Jarl. Es war eine Abschrift des Absichtsbriefes, den er zu Hause im Garten vergraben hatte. Das Schriftstück schilderte die Umstände und trug das Datum.
Jarl warf einen beiläufigen Blick auf das Dokument, griff aber nicht danach.
»Wir lesen hier nicht«, knurrte er.
Josh steckte die Rolle wieder ein und sprach weiter.
»Wir holten die Mörder am Bordell ein. Ich lernte eine Baumnymphe namens Meli kennen, die mir half, sie bis zur Mühle zu verfolgen. Als Beauty und ich dort ankamen, lag aber der Unglücksfall im Sterben – getötet von seinen Komplicen, sagte er uns. Eure Soldaten sahen uns dort und hielten uns für die Täter. So ist es gewesen, und wenn Ihr ein so großer Richter seid, wie man sagt, braucht Ihr keine weiteren Beweise.« Er verschränkte die Arme auf der Brust.
D’Ursu blickte entsetzt. Jarl lächelte und wurde auf der Stelle wieder ernst.
»Rache ist keine Tiertugend«, erklärte er. In der Stille hallten die Worte nach.
Joshua erschrak. Wenn der Punkt, um den sich diese Diskussion drehte, von einem toten Unglücksfall zu den moralischen Grundsätzen des Rache-Rechts wanderte …
Zum ersten Mal griff Jasmine ein.
»Wenn die Menschen, wie Ihr sagt, König Jarl, Tiere sind wie Unglücksfälle, Zentauren und Bären, dann müssen wir als natürlich und offensichtlich unterstellen, dass menschliche Werte Tier-Werte sind, also muss das Rache-Recht, eine bekannte Menschentugend, auch eine Tiertugend sein. Das soll freilich nicht heißen, es sei auch eine Tierpflicht.«
Jarl drehte seinen mächtigen Schädel der schönen Neurofrau zu und betrachtete sie mit betonter Zurückhaltung.
»Du hast keinen Tiergeruch, Schwester. Welche Rolle spielst du hier?«
Sie erklärte es ihm.
Er lauschte aufmerksam und nickte. Als sie fertig war, sagte er:
»Nach meiner Erfahrung ist es ungewöhnlich, dass ein Immortalist für ein so unbedeutendes Abenteuer so viel aufs Spiel setzt.«
»Nicht ungewöhnlicher als ein Großer Bär, der sich so weit nach Süden verirrt«, erwiderte sie sarkastisch. D’Ursu Magnas Gesicht zuckte heftig. »Außerdem ist kein Abenteuer unbedeutend, wenn man es in Gesellschaft von Freunden besteht«, fuhr sie fort.
Jarl lachte tief und dröhnend.
»Gut gesprochen, Immortalist. Kein Kampf auf der Seite von Kameraden ist ohne Wert. Und ich habe mich nicht verirrt.«
»Dann beherrscht der Doge diese Gebiete nicht mehr?« fragte sie.
D’Ursu spuckte aus, blieb aber stumm. Jarls Miene wurde ernst und verriet zorniges Schwelen wie ein feuchtes Holzfeuer.
»Der Doge hat nie etwas anderes beherrscht als seine fischverstopften Eingeweide. Kein Tier tut es. Es ist menschliche Überheblichkeit, etwas anderes anzunehmen. Jedes Tier beherrscht sich selbst und nichts anderes. Das ist die Natur des Tierwesens. Es ist unsere Wiedergeburt, das zu erkennen.«
D’Ursu Magna fauchte eine abschließende Bestätigung. Jasmine strich ihr Kinn. Josh und Beauty verfolgten das Gespräch gebannt.
»Dann ist es Eure Absicht, noch tiefer nach Süden zu ziehen«, sagte sie.
»Ich ziehe, wohin ich will, wann ich will, wie es mir beliebt. Wenn es andere gibt, die mich bei meinen Ausflügen begleiten wollen, ist das ihr Vorrecht und meine Ehre. Wenn dem Dogen jemand versklavt sein sollte, befreie ich ihn. Wenn jemand versuchen sollte, meine freie Tierbeweglichkeit aufzuhalten – dann
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