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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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Monaten kalt.«
    Jasmine ging auf einem überwachsenen Pfad weiter, der nach Südwesten führte.
    »Dann müssen wir uns auf den Weg machen«, sagte sie.
    Sie gingen einen Tag und eine Nacht und fast den ganzen nächsten Tag, machten Pause nur zum Essen, folgten kaum wahrnehmbaren Spuren. Sie schliefen die folgende Nacht und hielten abwechselnd Wache. Josh hätte genug Gelegenheit gehabt, aufzuschreiben, was geschehen war, brachte aber die Kraft dazu nicht auf. Außerdem wusste er nicht, wie er sein letztes Abenteuer zu Papier bringen sollte.
    Am dritten Tag nahmen sie wahr, dass der Dschungelboden langsam anstieg, Bäume und Gebüsch wurden dünner. Am Nachmittag rochen sie Salzluft.
    Eine Anhöhe kam, eine ganze Reihe von Erhebungen, ein Berg. In wachsender Erregung erkletterten sie den letzten Kamm: Unter ihnen lag im Mittelgrund die belebte Piratenstadt Ma’ Gas’. Die nächtlichen Lichter leuchteten funkelnd im schwarzen Wasser des Pazifik.

 
Kapitel 12
     
    In der Hafengegend
     
    E s war eine lärmende Stadt. Die Straßen waren erfüllt von den Zuckungen der Tänzer, Jongleure, Bettler, Feuerfresser. Wilde Wesen liefen frei herum – in der Meinung, das sei nur ein fremdartiger Teil des Urwalds mehr – und freie Wesen waren wild.
    Ma’ Gas’ war ein offener Hafen am ansteigenden Ende des Terrariums, in einer Naturbucht, die Blick auf die See erlaubte – und auf jeden möglichen Angreifer. Niemand griff jedoch an; es gab nichts zu gewinnen. Der Wert der Stadt lag in ihrer Zugänglichkeit für alle irdischen Wesen mit Geschäftssinn, für alle, die kaufen oder verkaufen wollten. Deshalb gab es kein Gesetz – alles wurde persönlich geregelt.
    Piraten lebten hier, Schmuggler, Söldner, Sklavenhändler, Schatzsucher. Diebe und Schurken jeden Zuschnitts liefen durch die Gassen und suchten nach Erlebnissen in Lasterhöhlen oder Bars. Das waren Herz und Blut der Stadt. Und ihre Haut war bunt tätowiert mit fahrenden Sängern, Huren, Schauspielern, Straßenmusikanten und Clowns. Ein gänzlich degenerierter Ort.
    Als die drei Freunde die Stadt vom Urwald her betraten, sank die Nacht vollends herab. Ihre Sinne wurden überfallen von einer Kakophonie aus Gelächter, berstendem Glas, Streitworten und Lichtern. Alle Hauptstraßen waren mit bunten Papierlampions behängt; in den Fenstern flackerten Kerzen und Alkohollampen. Die Gebäude waren ein Gemisch aus Material, das aus dem Regenwald geholt worden war – Palmenstämme, Flechtwerk, mit Lehm beworfen, Bambus, Wellblechstücke. Raue Stimmen, vermischt mit dem Rauschen der Brandung, die sich am Ufer brach; manchmal brachen auch Schädel. Die Nächte hier waren voller Leben. Die drei Jäger gingen langsam zu den Kais. Josh und Beauty hatten dergleichen noch nie gesehen; Jasmine ermahnte sie, die Augen offen und den Mund geschlossen zu halten. Sie staunten über sie. Sie tauchte in dieses Milieu wie Finger in alte Handschuhe.
    Sie wehrte den ersten Ansturm der Bettler und Gassenkinder hier mit einem Spottwort, dort mit einer Geste ab, so dass man sie, sehr zu Beautys Erleichterung, rasch in Ruhe ließ. Beauty mochte Städte nicht.
    Josh dagegen war fasziniert von den Lichtern, dem Getümmel, dem vielgestaltigen Leben. Es drängte ihn unaufhörlich, alles niederzuschreiben, bevor es wieder verschwinden konnte; so unwirklich erschien es ihm, so gefesselt war er davon.
    Ein Mensch ohne Gesicht schlich heran und fragte sie, ob sie interessiert wären.
    »Interessiert woran?« fragte Josh naiv.
    Mädchen. Jungen. Nymphen. Klone. Der gesichtslose Mann wurde deutlicher. Josh war fassungslos. Er hatte nie etwas anderes gekannt als grenzenlose Freiheit, und hier war jemand, der Wesen verkaufte. Beautys Reaktion war eindeutiger; zum Eigentum dieses Abschaums mochte Rose gehören. Er packte den Zuhälter am Kragen, von rechtschaffener Wut erfüllt.
    Aber Jasmine griff ein. Sie hatte aufgehorcht.
    »Wie war das?« fragte sie den Anbieter scharf. »Wie war das mit Klonen?«
    Er antwortete aber nicht, sondern huschte in die Nacht davon und hinterließ scheußlichen Gestank. Beauty tobte, Josh war erstaunt, Jasmine neugierig.
    »Seltsam«, sagte sie. »Seit über hundert Jahren hat es keine Klone mehr gegeben.« Sie schwieg kurze Zeit, dann trat sie zu den anderen. »Das war jedenfalls nicht die richtige Art, so etwas anzupacken. Wir müssen an einem Ort wie diesem sehr vorsichtig sein. Die falsche Geste zur falschen Zeit … Zuerst müssen wir uns einmal umsehen. Das ist eine

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