Zeit zu hassen, Zeit zu lieben
oben?«, rief Bilarski und hob den Kopf.
»Habt ihr’s gehört, Kameraden. Da oben, hat er gesagt!«, rief Robert triumphierend. »Von da oben war bisher überhaupt noch nicht die Rede. Jetzt ist sonnenklar, dass du Bescheid wusstest, du Satan!« Robert trat nach Bilarski.
»Einen Augenblick noch«, sagte der Stallbaron, als auch die anderen Anstalten machten, sich auf den Nachtwächter zu stürzen. »Wir haben uns erkundigt, Bilarski«, sagte er. »Wir wissen jetzt, dass du zu den Roten gehörst. Du kannst uns nicht länger für dumm verkaufen. Rück also heraus mit der Wahrheit. Sag uns, wohin ihr die Waffen geschafft habt.«
Der Nachtwächter richtete sich jetzt vollends wieder auf. »Gut«, sagte er. »Wenn ihr’s schon wisst, dass ich ein Spartakist bin, dann fragt doch den, der mich verraten hat. Fragt den. Vielleicht sagt der euch, wo die Waffen zu finden sind.«
Vielleicht hätten die Kutscher noch von Bilarski herausbekommen können, was sie wissen wollten, aber ihre Wut entlud sich so brutal, dass der gar keine Gelegenheit mehr fand, ein Wort zu sagen. Sie schlugen und traten auf ihn ein.
Bilarski stürzte zu Boden. Mit beiden Händen versuchte er, seinen Kopf zu schützen. Dabei schrie er laut und schrill. Außer Bilarskis Schreien und den dumpfen Schlägen war nichts im Stall zu hören.
Bruno krampfte seine Hände um die Kante der Luke. Sein Herz schlug ihm im Halse. Er vermochte nicht, seine Blicke von dem Geschehen da unten abzuwenden. Man muss Bilarski doch schreien hören, dachte er. Irgendjemand muss ihm doch helfen.
Da donnerten Fußtritte gegen das Eichentor. Die Kutscher ließen von Bilarski ab. Der blieb wimmernd am Boden liegen.
Wieder dröhnten Tritte gegen das Tor.
»Wer ist da?«, schrie Schiller.
»Macht auf! Ich bin’s, der Maximilian.«
»Der Oberst! Los, öffnen!«, befahl der Stallbaron.
Ein Kutscher drehte den Schlüssel und zog das Tor auf. Ein Mann trat ins Licht. Bruno erkannte ihn sofort. Er trug zwar keine Uniform, sondern einen grünen Jägeranzug. Die schmale Gestalt, das blonde Haar! Die Narbe an der Schläfe!
Der Junge starrte wie gebannt nach unten.
»Was geht hier vor?«, herrschte der Oberst die Männer an.
»Der da hat unser Waffenlager geplündert. Ein Bolschewik. Ein Spartakist. Ein Spion. Hat sich als Nachtwächter hier eingeschlichen«, erklärte der Stallbaron.
»Den schlagen wir kaputt!«, rief Robert.
»Und dann?«, fragte der Oberst.
»Nun ja«, lachte Robert, »Thors Hammer hat ihn getroffen. Wir haben ihn am Morgen bei unserem wildesten Hengst in der Box entdeckt. Tot. Man sollte nicht allein an das Biest von Pferd herangehen. Das haben wir ihm immer gesagt.«
»Nein, so nicht«, sagte der Oberst bestimmt. »Muss denn immerzu gleich umgebracht werden?«
»Wie?«, fragte der Stallbaron. »Wie meinen Sie das? Wir sollen doch das rote Schwein nicht etwa laufen lassen, wie?«
»Was spricht dagegen?«, fragte Maximilian Deisius.
»Der Oberst hat recht«, lenkte der Kutscher Lambert ein. »Der Bilarski hat sein Fett weg. Lassen wir ihn laufen!«
»So weit kommt das noch«, sagte Robert. Er zog ein Wagenjoch aus einer Nische hervor. »Ich schlage den Hund kaputt!«, schrie er und schwang das Joch über seinem Kopf. »Der verrät uns an die Polizei, an die Franzosen auch, und wir hängen alle drin.«
In der linken Hand hielt der Oberst plötzlich eine Pistole. Genau wie damals in Berlin, dachte Bruno. Jetzt wird er schießen.
»Parteigenosse Robert Bandusch, ich gebe Ihnen den Befehl, sofort damit aufzuhören!«, sagte der Oberst kalt .
Der ließ verblüfft das Holz sinken und sagte: »Aber wieso? Der Mann ist gefährlich.«
Der Oberst hob die Pistole.
Der Stallbaron ging auf den Kutscher zu und redete beruhigend auf ihn ein: »Befehl ist Befehl, Robert.«
»Schon gut, schon gut«, gab der klein bei.
»Nicht durch Gewalt und Totschlag, sondern durch Überzeugung und durch Einsatz wollen wir das neue Deutschland aufbauen«, sagte der Oberst.
Die Pistole steckte er wieder in die Tasche seines Anzugs zurück, beugte sich zu dem Nachtwächter hinunter und berührte ihn an der Schulter. »Kannst du aufstehen, Mann?«, fragte er.
Bilarski rappelte sich auf. Er sah schrecklich aus. Aus einer Platzwunde an der Stirn floss Blut. Die Lippen waren dick aufgequollen. Er versuchte zu sprechen, aber er brachte nur ein Stöhnen heraus. Er wendete sich zum Tor, schwankte, stützte sich an der Wand ab und wankte schließlich hinaus.
Die Männer standen
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