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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Knöpfe, Steifleinen, Nähseiden, Garne. Fünf Mägde standen und warteten.
    »Na«, drängte die Baronin, »was sollen die Frauen tun?«
    Franziska fühlte sich in ihrem Reich und antwortete fest: »Schicken Sie sie für zwei Stunden aus dem Raum. Sagen Sie Ihren Töchtern, dass sie zu mir kommen sollen!« Sie schaute auf die Wanduhr und sagte: »Es ist jetzt halb elf. Um zwölf Uhr, Baronin, muss ich wieder mit Ihnen sprechen. Ich werde Ihnen dann die Entwürfe zeigen.«
    Die Baronin schaute verdutzt drein, gab aber den Frauen einen Wink und verließ mit ihnen die Nähstube.
    Hilda und Sieglinde stürmten kurz danach herein. Franziska hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. Bald standen die Baronessen wie Denkmäler auf einem Hocker und Franziska hantierte mit dem Metermaß und schrieb Zahlen auf ein Blatt.
    »Es ist gut«, sagte sie dann. »Lassen Sie mich bitte allein.«
    Mit dem Glockenschlag zwölf betrat die Baronin wieder die Nähstube und brachte die Töchter mit. Franziska zeigte ihr stumm die Entwürfe. Die Stoffe, die sie benutzen wollte, hatte sie schon bereitgelegt. Die Töchter tuschelten aufgeregt, fanden die Kleider entzückend und elegant und schick und waren begeistert davon, dass Franziska in das zweite Kleid eine farbige Kante hineingepfuscht hatte. »Weil die Trauer am Nachmittag dann schon etwas nachgelassen hat«, spottete sie.
    »Ja«, entschied die Baronin, »das ist das Richtige. Ich habe mich in Ihnen nicht getäuscht. Nach dem Essen kann es losgehen.«
    »Etwas bleibt vorher noch zu klären«, sagte Franziska.
    »Zu klären?«
    »Ja, der Lohn für mich.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Sie gut bezahlen werde.«
    »Das genügt mir nicht«, sagte Franziska fest. »Als Lukas Bienmann den Stall und die Scheune für Sie baute, da war auch vorher ein Preis ausgemacht worden.«
    »Aha! Was haben Sie sich denn vorgestellt, Fräuleinchen?«
    »Ich denke, fünfzehn pro Kleid ist ein anständiger Preis.«
    »Was meinen Sie? Was meinen Sie mit fünfzehn?«
    »Dollar natürlich. Der Dollar steht auf 2,4 Milliarden Mark. Wer weiß, wo er morgen sein wird.«
    Die Baronin schwieg verblüfft. »Dollar?«, fragte sie dann ungläubig. »Ich werde Ihnen fünfzehnmal 2,4 Milliarden Mark bar auf die Hand zahlen für jedes Kleid.«
    »Nein, mit der Mark haben wir Bienmanns mit Ihnen schlechte Erfahrungen gemacht. Dollar oder gar nichts.«
    Die Baronin schwieg lange, schließlich faltete Franziska ihre Entwürfe zusammen. »Oder gar nichts«, wiederholte sie.
    »Sie sind eine listige Schlange! Sie nützen meine Zwangslage aus«, rief die Baronin erbittert, aber es klang ein wenig Hochachtung durch ihre Worte. Sie atmete tief und stieß hervor: »Also für ein Kleid fünfzehn Dollar, für vier Kleider dann mit dem üblichen Rabatt fünfzig Dollar.«
    »Ich bin kein Pferdehändler, Baronin. Gutes Geld für gute Arbeit. Sechzig Dollar oder gar nichts.«
    »Hart wie Stein ist sie, das Fräuleinchen. Und mit den Pferdehändlern – na, ich weiß nicht.« Sie wandte sich zur Tür und sagte im Weggehen: »Also gut, sechzig Dollar, wenn alles fertig ist. Ich hoffe nur, dass Hilda und Sieglinde in Königsberg einen Mann finden, der eine Kleinigkeit mehr aufzuweisen hat als einen guten Namen.«
    Franziska gönnte sich keine ruhige Minute. Sie kopierte, schnitt, steckte zusammen, reihte, säumte, gab den Frauen die einfacheren Näharbeiten, legte die komplizierten Nähte selbst unter die Maschine.
    Die ganze Nacht ging es durch. Frischer Kaffee stand immer bereit. Dreimal musste sie eine Frau wach rütteln, die über ihrer Arbeit eingeschlafen war.
    Gegen zwei Uhr morgens ließ sie Hilda und Sieglinde aus den Betten zur Anprobe holen und gegen fünf zum zweiten Mal.
    »Jämmerliche Nachthemden tragen die Baronessen«, wunderte sie sich.
    »Sie ist eben knauserig, die Baronin«, kicherte eine Näherin.
    Um elf Uhr am Morgen schließlich rauschte die Baronin herein, schon im Reisemantel, und beäugte kritisch ihre Töchter in den neuen Kleidern. Sie sagte kein Wort, aber ihrem Gesicht konnte jeder es ansehen, dass sie überrascht war. Aus zwei Landbaronessen, eher Aschenputteln bisher, waren über Nacht zwei junge Damen geworden, die sich in Königsberg sehr wohl vorzeigen ließen.
    Die Baronin zahlte mit einem Fünfzig- und einem Zehn-Dollar-Schein. Ihre Stimme klang bissig, als sie sagte: »Heute sind sechzig Dollar bereits einhundertzweiundsechzig Milliarden Mark.«
    »So ähnlich dachte ich mir das«, erwiderte

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