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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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ist. Wahrscheinlich hat sich der Offizier bedroht gefühlt. Schließlich war da die Handgranate in der Hand deines Bruders. Angst ließ ihn vergessen, dass er ein Mensch ist. Er wird ›Notwehr‹ ins Feld führen. Und obwohl ich selbst national denke, muss ich doch sagen, dass bei unserer Justiz viele auf dem rechten Auge blind sind, selbst wenn es um ganz eindeutige Fälle geht.« Als Dr. Hernieden Brunos Enttäuschung bemerkte, fuhr er leise fort: »Recht und Gerechtigkeit, Bruno, das ist nicht das Gleiche. Du suchst Gerechtigkeit, aber in einem solchen Fall wird dir das Recht dabei wohl kaum helfen können.«
    Bruno öffnete die Autotür und lief quer über den Platz des Amtsgerichtes. Er wollte nicht, dass Dr. Hernieden ihn weinen sah.

36
    Die Slawiks, Lenskis, Krohls, Bandillas, Grumbachs redeten freundlich mit Franziska, wenn sie ihr im Dorfladen oder auf der Straße begegneten. Waren sie jedoch unter sich, dann sprachen sie anders, weniger umständlich.
    Eberhards Wort, Franziska sei eine Frau für Feiertage, hatte sich herumgesprochen und war ihr verschiedentlich zu Ohren gekommen. Sie ärgerte sich so sehr darüber, dass sie sich eines Tages, als sie mit Lisa Bienmann allein im Zimmer saß, bitter beklagte: »Ich habe dir das Sonntagskleid geändert, Mutter, und du hast gesagt, so schön sei es noch niemals gewesen. Ich habe gekocht und allen hat es gut geschmeckt. Ich habe dem Vater die Geschäftsbücher abgeschlossen und der von der Bank hat sich gewundert, weil er keinen einzigen Fehler entdeckte. Warum sagen die Menschen von mir, ich sei für Paul nur etwas für sonnige Zeiten. Muss man denn bei euch erst einen Zentnersack in die Luft heben können, bevor sie einen wirklich aufnehmen?«
    Lisa schälte ruhig ihre Äpfel weiter, zerteilte sie in kleine Stückchen und warf sie in einen Eimer mit Wasser. Schließlich antwortete sie: »Du bist so anders als die Frauen im Dorf. Das Leben für die Frauen hier läuft in festen, vorgezeichneten Bahnen. Sie heiraten, bringen Kinder zur Welt, versorgen Haus und Familie, schuften im Stall und auf den Feldern, wenn die Zeiten es verlangen, sehen, wenn alles gut geraten ist, wie die Kinder heranwachsen, die Enkel schließlich. Und wenn sie alt und krumm sind, dann sitzen sie in der Sonne vor dem Haus und schauen zufrieden auf ihr Leben zurück. Sie haben es ein Stück weitergetragen, haben die alten Geschichten weitererzählt und neue erfunden, ja, hin und wieder ist da eine im Dorf, die sich gut steht mit den Geistern und Zwergen und die einen Blick in die Zukunft tut. Du, Franziska, bist anders. Du hast dein Leben in die Hand genommen, hast deine Werkstatt, gehst mit den Behörden um wie mit deinesgleichen. Mit dem Pfarrer redest du, widersprichst ihm sogar. Weißt du, Tochter, das macht den Frauen Angst und fordert die Männer heraus. Deshalb sind sie froh, dich in eine Ecke stellen zu können. Das meinen sie, wenn sie sagen, du bist eine Frau für feiertags.«
    So lange hatte Lisa noch niemals zu Franziska geredet.
    »Ich möchte es denen beweisen«, sagte Franziska, »ich möchte beweisen, dass auch Hände, die nicht voller Schwielen sind, etwas leisten können.«
    »Mir brauchst du nichts zu beweisen, Tochter«, sagte Lisa. »Ich glaube nicht, dass ein Mensch ein besserer Mensch ist, wenn er schuften kann wie ein Pferd und stark ist wie ein Ochse. Pferd und Ochse leisten mehr als mancher Mensch. Ein Mensch ist eben ein Mensch und das ist tausendmal mehr als Ochs und Pferd.«
    Als Franziska nachdenklich schwieg, fuhr Lisa fort: »Oder die alte Baronin. Du warst auf dem Gut. Einen Likör hat sie dir eingeschüttet und Konfekt vorgesetzt und dem Lukas einen billigen Kornschnaps angeboten. Aber sie hat gewiss Schnaps und Konfekt in Pfennig und Groschen umgerechnet und die Ausgabe wird ihr leid-getan haben. Ihr Sohn schlägt ihr nach. Die Töchter werden hoffentlich etwas mehr von ihrem Vater mitbekommen haben. Die Baronin hat ihr ganzes Leben lang gerafft, die Leute auf dem Gut kujoniert, war bei der Ernte von morgens bis abends im Sattel, selbst als sie schwanger war. Geschaut hat sie, dass sich ja niemand eine Ruhepause gönnte. Im Krieg hat sie das Gut selber geleitet. Und was ist mit ihr? Hart ist sie geworden und bösartig. Freut sich wahrscheinlich, dass sie Scheune und Stall so billig hat bauen lassen vom alten Lukas Bienmann, schert sich den Teufel darum, dass wir alles verlieren. Viel hat sie geleistet, Tochter, ja, das hat sie wahrhaftig. Aber ist sie

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