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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Auktionator lachte und rief: »Marjellche, eine Milliarde, das mag genug sein für zehn Eier, aber doch nicht für dieses Prachtstück, das wundervolle. Wer also bietet mehr?«
    »Wirklich eine schöne Uhr«, sagte ein Mann im leichten Pelzmantel, der aus Allenstein gekommen war. Schon schien es, er wolle ein vernünftiges Angebot machen, da trat Franz Grumbach zu ihm und wechselte ein paar Worte mit ihm. Der Mann schien unwillig, aber da zeigte Franz zu einer Gruppe Männer hinüber, die lässig am Straßenrand standen. Jeder trug eine Axt bei sich und alle schauten auf den Mann im Pelz. Dem wurde die Sache zu heiß und er zog sich zurück.
    Sosehr der Auktionator auch schrie, sosehr er auch drohte, er werde sich pensionieren lassen, wenn er diese Uhr zu diesem Preis hergeben müsse, schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als Franziska den Zuschlag zu geben.
    Paul rannte in den Stall, holte ein Bündel Schafswolle vom Dachboden und schlug die Uhr darin ein. Dann trug er sie zu Johannes’ Wagen.
    »In Wolle gehüllt wie damals«, sagte der alte Bienmann leise.
    Während fast alle Sachen gute Preise brachten, blieb jedes Mal jegliches Angebot aus, sobald Franziska einen Gegenstand ersteigern wollte. Sie kaufte alle sieben Bilder, die Pauls Großvater gemalt hatte und die sich noch im Hause befanden. Sie erstand ein gut erhaltenes Buch »Onkel Toms Hütte«, das sie dem Bruno mitbringen wollte, und für sich selbst ersteigerte sie ein silbernes Essbesteck.
    Für das Haus gab es viele Angebote. Es wurde an einen Wirt aus Lindenort verkauft, der ein Gasthaus darin eröffnen wollte. Es dämmerte bereits, als die letzten Neugierigen und Kauflustigen sich zerstreuten.
    Wohl hundertmal hatte Johannes während des Tages gedrängt, losfahren zu dürfen, aber die Eltern harrten bis zuletzt aus. »Wir wollen auf jeden Fall sehen, wohin der Wind unser Hab und Gut verweht«, sagte Lukas. Es war schon in der Nacht, als sie in Leschinen ankamen.
    »Die Uhr gehört euch«, sagte Franziska, »und auch die Bilder sollt ihr behalten.«
    Lukas schüttelte zwar den Kopf, sagte aber dann doch: »Lass gut sein, Tochter. Wir werden dir die Uhr aufbewahren, bis du sie irgendwann einmal erben wirst.«
    »Aber ich bestehe darauf, dass ihr das Besteck mitnehmt«, sagte Lisa entschieden. »Sozusagen als Hochzeitsgeschenk von uns, das ihr euch selber kaufen musstet.«
    Schon früh am nächsten Morgen fuhr Lukas seinen Sohn Paul und seine Tochter Franziska bis nach Ortelsburg zum Bahnhof. Es wurde kaum ein Wort gesprochen. Als sie schon ihr Abteil bestiegen hatten, da sagte Lukas: »Paul, mit den Pferden und den Frauen, da hatten wir Bienmanns immer Glück. Halt dein Leben lang fest, was du da im Westen gefunden hast.«

37
    Es war noch Nacht, als der D-Zug Berlin–Köln im Hauptbahnhof Oberhausen einlief. Dünner Nebel war bis auf die Bahnsteige gedrungen. Die Nachtlichter schwebten wie matte Sterne in unbestimmter Höhe. Eine nasse Kälte schlug den wenigen Fahrgästen, die aus dem Zug stiegen, in die Gesichter. Bahnhöfe bei Nacht hatten für Franziska etwas Gespenstisches. Sie fröstelte und schlug sich den Mantelkragen hoch.
    »Wie sollen wir nur mit dem ganzen Gepäck auf den anderen Bahnsteig kommen?«, rief Paul. Es war tatsächlich ein ganzes Gebirge aufgestapelt: etliche Koffer, zwei Blecheimer voller Pfifferlinge und Steinpilze, die Pappkartons mit dem in Säckchen gefüllten Mehl, in das hinein Lisa noch frische Eier gesteckt hatte; die Speckseite, in neues Leinen eingenäht, ein riesiges rundes Brot und schließlich noch, in Ölpapier eingeschlagen und fest verschnürt, ein Paket, das Georg beim Abschied ins Abteil gereicht hatte. »Gut soll’s euch schmecken! Aber erst öffnen, wenn ihr daheim seid!«, hatte er gesagt.
    »Wir haben hier in Oberhausen beinahe zwei Stunden Aufenthalt«, sagte Franziska. »Der Frühzug fährt erst um halb fünf.«
    Sie schleppten ihre Schätze in den Wartesaal dritter Klasse, der die ganze Nacht über geöffnet war. Der große Raum, mit Holzbänken und langen Tischen möbliert, lag im Halbdunkel. Nur über dem Schanktisch brannten zwei Gasleuchten. Die Wirtin saß regungslos, den Kopf und die verschränkten Arme auf die Theke gelegt, und schaute nicht einmal auf, als Franziska und Paul sich einen Platz suchten. Ein paar Gestalten lagen lang auf den Bänken ausgestreckt und schliefen, die Mäntel bis über die Köpfe gezogen, obwohl ein hoher gusseiserner Ofen rund um das Feuerloch sanft glühte

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