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Zeitbombe Internet

Zeitbombe Internet

Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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Raum. »Es wurde in simpleren Zeiten konstruiert.« Eine andere graue Eminenz, Clarkes Kollege Larry Petersen an der Universität Princeton, nannte das Internet ein »zunehmend komplexes und zerbrechliches System«. Vint Cerf, einer der Urväter des Internet, hat sich angesichts explodierender Internetkriminalität zu seiner Angst bekannt, dass »die internationale Gemeinschaft eines Tages sagt, dass es nicht mehr wert ist, online zu sein«.
    Im Juli 2010 wurde Michael Hayden, der frühere Vizechef des US-Geheimdienstes NSA, ausgerechnet bei der Hackerkonferenz »Black Hat« vorstellig – und bat um Mithilfe, »die Sicherheitsarchitektur des Internet neu zu gestalten«. Es klingt ungewöhnlich, wenn in diesen Tagen selbst führende Informatiker in den USA wie in Europa fordern: Wichtige Dinge wie Kraftwerke oder Verkehrssysteme, die katastrophale Unglücke auslösen können, müssen bis auf Weiteres »entnetzt«
werden. Sie müssen runter vom Internet. Sonst ist es beim jetzigen Stand der Technik zu gefährlich.
    Interessanterweise halten – in einer kürzlich erschienenen Szenarienstudie namens »The Evolving Internet« – sogar die Marktforscher des optimistischen Internetriesen Cisco eine düstere Zukunft für möglich. In einem ihrer »allesamt plausiblen« Szenarien für die kommenden fünfzehn Jahre beschwören sie eine Welt herauf, »in der das Internet gegen die Wand gefahren ist, in der es von Hackern und Cyberattacken geplagt ist, in der eine neue digitale Kluft entsteht zwischen denen mit Zugriff auf teure Sicherheitsmaßnahmen und abgeriegelte Internetenklaven und denen, die nur noch ganz vorsichtig im freien, gefährlichen Internet unterwegs sind«. In dem Fall, gibt Cisco zu, werde auch aus den großen Wachstumshoffnungen nicht so viel. Einen solchen Fall gelte es zu verhindern.
    Zumal die Macher in der Internetwirtschaft noch ein ganz anderes Problem haben: Viele Menschen beginnen gerade, eine große Abneigung gegen die technischen Visionen zu entwickeln.
    Augen überall: Die Angst vor dem digitalen Panoptikum
    Siddharth Anand liebt Tablaspielen und Naturfotografie. Er trägt ordentliche Hemden, teilt seine pechschwarzen Haare in der Mitte mit einem Scheitel und redet ältere Menschen mit »Respected Sir« an.
    Außerdem ist Siddharth Anand vermutlich der schlimmste Zimmernachbar der Welt. Als wir für dieses Buch mit ihm sprachen, verbrachte der 24-jährige Informatikstudent aus dem zentralindischen Provinzstädtchen Jabalpur gerade seine letzten Wochen in einem Studentenwohnheim in Bangalore, das zum International Institute of Information Technology (IITTB) gehört. Das IITTB bildet neue Elitekader indischer Computergenies aus, und auch Anand hatte bei Drucklegung dieses Buches sein Studentendasein aufgegeben und einen Job bei der amerikanischen Militär- und Luftfahrtfirma Honeywell
im indischen Bangalore gefunden. Das Studentenwohnheim, in dem er im Oktober 2010 noch wohnte, ist eine eher trübe Angelegenheit: lange, grau-beige gestrichene Gänge, Plastikstühle, Wäscheleinen. Herumliegende Turnschuhe, herumliegende tragbare Computer und technisches Zubehör. Die Wohnräume streng aufgeteilt nach Geschlechtern.
    Siddharth Anand ist, was man gemeinhin ein Computergenie nennt. Seine verpflichtenden Kursarbeiten über die Steuerung von Roboterarmen, Onlinekartografie und elektronische Warenverkehrsabwicklung hat er meist schon mitten im Semester abgegeben. In der gewonnenen, freien Zeit spionierte er gerne seine Mitstudenten aus. Siddharth Anands Meisterwerk heißt »Spy Eye ver 3.0«. »Dieses Programm führt achtundzwanzig verschiedene Funktionen aus«, sagt Anand und redet dann sofort von allerlei technischem Kram wie Java-Scripts und Traceroutes. Da muss man durch. Zur Sache kommt Anand gegen Ende seines Vortrags: »Mit Spy Eye können Sie zu jeder Zeit überprüfen, ob Ihre Freunde gerade studieren oder Filme schauen oder schlafen.«
    Wenn Siddharth Anand »Freunde« sagt, dann meint er seine ehemaligen Mitbewohner im Studentenwohnheim. Einigen von ihnen hat er einen verseuchten USB-Stick zugesteckt, vorgeblich mit einem Spielfilm drauf, aber gut versteckt enthielt der Stick auch noch einen selbst geschriebenen Computervirus. Die Computer der Studenten samt der eingebauten Kameras gehorchen seither Anands Befehlen. »Das Programm kann

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