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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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man auf Funk-, Architektur- und Elektrotechnikmessen bestaunen: die schlaue und energiesparende Steuerung ganzer Häuser, »Smart Homes«. Je nach Bedarf können die nicht nur Energie sparen, sondern beispielsweise die Kaffeemaschine anstellen, wenn der Bewohner offenbar gerade aufwacht. Sie können Diättipps geben, wenn die Waage im Badezimmerfußboden eine unvorteilhafte Gewichtsveränderung feststellt. Sie können der Polizei melden, wenn ein Einbrecher kommt. Oder eine Ambulanz rufen, wenn ein Mensch regungslos auf dem Teppich liegt.

    Ross Anderson, der am Computer Laboratory der Cambridge University in England viel über Sicherheitsfragen nachdenkt, schlägt angesichts solcher Entwicklungen die Hände über dem Kopf zusammen: »Wir sind gerade dabei, eine signifikante neue Cyberverletzlichkeit in unser Leben einzuführen«, warnte er kürzlich.
    Einfach mal abschalten: Obama nimmt die Sache ernst
    In den Vereinigten Staaten denkt niemand daran, den rasanten Ausbau der Smart-Meter-Wirtschaft aufzuhalten. Doch dass damit neue Gefahren entstanden sind – das nimmt man dort inzwischen äußerst ernst. Im Juli 2010 verkündete die Obama-Administration, man plane ein ganzes Schutzschild gegen Cyberattacken im Land. Es gibt schon einen Projektnamen dafür: Perfect Citizen, Musterbürger. Es gibt auch 100 Millionen Dollar für die erste Projektphase sowie einen ersten Auftragnehmer: Der Rüstungskonzern Raytheon bekam den Zuschlag. Es gibt nur noch nicht viele Details. Bestätigt ist, dass Messpunkte an vielen Stellen des Internet und in den SCADA-Systemen amerikanischer Versorgungsbetriebe eingerichtet werden sollen. Abhörstellen für den Internetverkehr, die Alarm schlagen sollen, wenn dort jemand eindringt oder sabotiert.
    Schon bald nach seinem Amtsantritt hatte Barack Obama den Cyberspace zu einem »strategischen nationalen Gut« erklärt und einen kompletten Bericht darüber angefordert, was denn eigentlich im Land getan werde, um die digitale Infrastruktur zu schützen. Den damaligen Sicherheitschef von Microsoft, Howard Schmidt, berief er ins Weiße Haus – und der ist jetzt dafür zuständig, dass es keine Cyberangriffe auf amerikanischem Boden gibt. Seit Mai 2010 gibt es beim Pentagon ein neues »Cybercommando« (Cybercom), das General Keith Alexander untersteht, der zugleich Direktor des technischen Geheimdienstes NSA ist. Das Mandat des Generals ist die Cyberkriegsführung – defensiv und offensiv. Im September 2010
vereinbarte das US-Verteidigungsministerium eine Zusammenarbeit mit dem Heimatschutzministerium, sodass nun auch zum Schutz ziviler Netzwerke in den USA die Experten von Cybercom und NSA hinzugerufen werden können. Die beiden Ministerien legen nun einen Teil ihres Personals zusammen, wollen zusammen planen, und haben offenbar noch gewaltige Expansionspläne. Besonderes Aufsehen erregte aber die amerikanische Ankündigung, dass »Perfect Citizen« eine Art roten Notfallknopf enthalten solle. Bei einer echten Bedrohung, heißt es, sollten wichtige Einrichtungen und notfalls auch Teile des amerikanischen Internet vom weltweiten Netz abgeklemmt werden.
    Was mit anderen Worten für den Rest der Welt bedeutet: Wenn es brenzlig wird, schalten die Amerikaner schnell mal das Internet ab.
    Und ausgerechnet etliche Informatikexperten finden das völlig konsequent. Sie wissen nämlich: Es gibt keinen absoluten Schutz vor Hackern, Cyberspionen und Internetsaboteuren. Steven Chabinski, ein hochrangiger FBI-Experte für Cybersicherheitsfragen, erklärte kürzlich vor einem amerikanischen Kongress-Komitee ganz kategorisch: »Mit genug Zeit, Motivation und Geld wird ein entschlossener Gegner immer – immer! – in ein System seiner Wahl eindringen können. « Weder Passwörter noch eine Firewall noch komplizierte technische Lösungen können das verhindern.
    Mit einer Ausnahme: Wenn man die Verbindungen kappt.
    Der Stuttgarter Technikexperte Sandro Gaycken zum Beispiel redet ebenso kategorisch daher wie der FBI-Mann Chabinski: »Daten, die auf vernetzten Computern gespeichert werden, kann man nicht schützen.« Das Problem von Großprojekten wie dem Smart Grid sei eben, dass es unvorstellbar große Netze schaffe: »Die Systeme müssen interoperabel sein. Mit Standards operieren. Das ist der Sinn der ganzen Sache – aber genau das ist für Hacker auch immer ein

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