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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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»Und dem trauen Sie? Versteht er, was wir sagen?«
    »Deshalb haben wir ihn ja dabei. Er wird uns erzählen, was er drüben aufschnappt.«
    »Hauptsache, Sie werden nicht geschnappt. Wir brauchen Informationen, mit denen da ist kein Blumentopf zu gewinnen.« Er deutete zum Himmel, wo das Brummen von Aufklärungsflugzeugen zu hören war.
    »Wie hoch waren die Verluste?«
    »Zu hoch. Sie haben es ja gesehen. Mehr als zehntausend. Und auf der anderen Seite mindestens genauso viele. Heute scheinen sie sich Ruhe zu gönnen. Gegen Mittag werden wir ihnen mal wieder ein bisschen einheizen. Für irgendwas müssen die Dinger ja gut sein.« Er zeigte auf die lange Reihe der Kanonen, die vor ihnen standen. »Vieles landet im Fluss. Wenn wir nur endlich drüben wären, dann könnten wir ihnen richtig Zunder geben!«
    Wilhelms Begleiter nickten und salutierten. »Genau! Wir sollten keine Zeit verlieren. Wenn Sie uns entschuldigen, Herr Hauptmann.« Sie ritten an.
    »Und wann kommen die Etappenhengste?«, rief der Hauptmann ihnen nach. »Mit leeren Magen lässt sich schlecht kämpfen.«
    »Sind unterwegs, schälen schon die Kartoffeln. Aber bei Ihrem Tempo, Herr Hauptmann, kommt die Gulaschkanone nicht hinterher.«
    »Verdammt«, knurrte der Ältere, »ausgerechnet jetzt Leute abziehen – Übermut, reiner Übermut ist das! Denken, die Sache ist schon erledigt …«
    »Nicht so laut!«, mahnte der Jüngere, »und nicht so pessimistisch! Wir werden’s schon richten.«

D er Fluss
    Der Verlauf der Marne zwischen Meaux und Charly war unübersichtlich, unberechenbar mäanderte der Fluss in alle Richtungen. Wilhelm kannte die Marne von Sommerausflügen längst vergangener Jahre. Die üppige Vegetation an der Böschung hatte das Baden damals nur an wenigen Stellen ermöglicht. Jetzt war davon nichts mehr zu sehen: Zu beiden Seiten bedeckten Einschuss- krater den Boden wie offene Wunden, verkohlte Baumgerippe standen am Ufer, vereinzelt brannten kleine Feuer, wo Granaten Buschwerk entflammt hatten.
    Die drei Reiter hatten sich in den Steigbügeln aufgestellt und versuchten, um die nächste Flussbiegung zu sehen. Es herrschte völlige Stille. »Es hat sich nichts geändert«, sagte der Ältere und schüttelte ungläubig den Kopf, »Punkt 18 Uhr ist Dienstschluss, und sie klappen ihre Kanonen hoch.«
    »Wenigstens darauf kann man sich verlassen«, erwiderte der Jüngere. »Und wie kommen wir jetzt rüber? Keiner weiß, welche Brücke noch intakt ist und wer sie gerade kontrolliert. Und wenn wir hier bis ans Wasser reiten, werfen sie drüben vielleicht doch noch mal ihre Kanonen an.«
    »Unsinn. Die haben längst ihr Weißbrot ausgepackt. Bei denen klappt es mit dem Nachschub, die sind hier schließlich zu Hause. Das Einzige, was passieren kann, ist, dass unsere eigenen Leute feuern, wenn unsere Flieger sehen, dass hier jemand den Fluss überquert.«
    Sie wandten sich zu Wilhelm und sahen ihn fragend an. »Gibt’s noch eine andere Möglichkeit?«
    »Es gibt Furten«, erwiderte er. »Als Kind habe ich in diesem Fluss gebadet, aber so, wie es jetzt hier aussieht, würde ich sie nicht wiederfinden.«
    Die beiden nickten bedächtig. »Dann heißt es: schwimmen«, sagte der Jüngere. »Hoffentlich sind die Gäule wasserdicht.«
    Wilhelm lachte kurz auf, was ihm einen misstrauischen Blick des Älteren einbrachte. »So übel scheinen Ihre Deutschkenntnisse nicht zu sein. Na ja, ist jetzt auch egal, so kurz vor dem Ziel.«
    »Nicht zu früh frohlocken«, sagte der andere und deutete zum Himmel, an dem ein Flugzeug kreiste.
    »Einer von uns oder einer von denen?«, fragte der Ältere.
    »Von jedem einer, scheint mir«, entgegnete der Jüngere. Ein zweites Flugzeug näherte sich von hinten, helle Blitze des Mündungsfeuers eines Maschinengewehrs schossen aus dem Bug des Doppeldeckers, das knatternde Geräusch kam einige Sekunden später am Boden an.
    »Eine Bristol, verdammt!«, sagte der Ältere, »die Tommys sind da! Gegen die hat unsere Fokker keine Chance.«
    Die Fokker ließ sich durchsinken, flog eine scharfe Links-Kurve und versuchte, hinter den Verfolger zu gelangen. Der hatte das Manöver erahnt, nach wenigen Sekunden war er wieder hinter der Fokker, flog dicht auf und eröffnete erneut das Feuer. »Verdammt, verdammt!«, sagte der Ältere und schlug eine Faust in die geöffnet Hand, als die deutsche Fokker in Flammen aufging und rauchend zu Boden taumelte.
    »Jetzt hat er uns gesehen!«, rief der Jüngere und gab seinem Pferd die Sporen.

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