Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Doering. »Der Strandstreifen ist nur ein paar hundert Meter breit, und dann muss man durch die Lagune, um wirklich in Lomé zu sein. Na ja, und eine dichtere Krokodilbevölkerung als in dieser Lagune gibt es wohl nirgends in Afrika, stimmt’s?«
Der Freiherr nickte und ergänzte: »Die Neger fangen in der Lagune die Austern auf dem Grund des Wassers. Es ist nicht tief. Kannst du dir das vorstellen: Sie ertasten die Austern mit den Füßen und packen sie dann mit den Zehen – sofern nicht ein Krokodil dazwischenkommt und sie an den Zehen packt … dann freuen sich die Austern!« Er verschluckte sich vor Lachen bei der Vorstellung. »Aber das passiert nicht mehr so häufig«, fügte er beruhigend hinzu, »wir haben die Krokodile schon ziemlich dezimiert, was?« – »Ja«, bestätigte Doering, »sonntags mit dem Jagdgewehr, sofern wir nicht beim Pferderennen sind.«
»Pferderennen?«, fragte Wilhelm ungläubig. »In Togo?«
»Natürlich, wir haben eine Rennbahn in der Mission Sansane-Mangu, nicht weit von Lomé. Aber nicht nur das, wir züchten auch!«, sagte der Gouverneur stolz. »Pferde – und natürlich Rinder. Nichts gegen die Buckelrinder, die die Eingeborenen halten, aber eine holsteinische Schwarzbunte ist natürlich viel ergiebiger. Vier davon haben wir hergebracht, über 100 sind es mittlerweile.« Er nickte stolz und drehte zufrieden die Zigarre zwischen den Händen.
»Eins musst du wissen«, sagte sein Vater plötzlich ernst zu Wilhelm, »wenn du in irgendeine schwierige Lage gerätst, halte dich an Aiauschi. Er ist nur deinetwegen mitgereist. Er spricht viele der Dialekte des Landes. Aiauschi wird immer in deiner Nähe sein, auch wenn du mal ohne mich etwas unternimmst. Er hat den Auftrag, dich stets zu begleiten, du brauchst ihn also nicht wegzuschicken, er wird nicht von deiner Seite weichen.«
»Was meinen Sie mit schwierige Lage?«
»Nun, einige der Stämme im Norden sind in den letzten Wochen unruhig geworden. Sie sehen, dass wir Probleme damit haben, die Übergriffe der Bato auf die Ewe zu verhindern und interpretieren das als Schwäche. Und das ist schlecht für uns.«
»Zu welchem Stamm gehört Aiauschi?«
»Er ist ein Ewe. Sie stellen hier die Mehrheit, sind angesehen, manche von ihnen wohlhabend. Viele sind mittlerweile Christen geworden. Auch das ist den Wilden aus dem Norden ein Dorn im Auge, denn die meisten von ihnen sind Mohammedaner, wie fast alle Sklavenjäger hier an der Westküste. Aber deshalb haben wir dich nicht mitgenommen …«
»Weshalb dann?«
Die beiden Männer blickten sich an, dann antwortete der Gouverneur: »Du weißt, dass wir kein Militär haben, nur Polizisten, genau genommen 500. Ein weißer Offizier, drei weiße Unteroffiziere, der Rest sind Ewe. Gut ausgebildete Leute, aber eben Neger. Mit ihnen können wir gegen die Übergriffe der Franzosen aus Dahomey nicht viel ausrichten.«
»Was für Übergriffe?«
»Sie sabotieren immer wieder die Bahnlinie nach Atakpamé, wo unser Funksendemast steht. Nicht sie selbst – sie schicken Eingeborene vor. Die Franzosen wissen natürlich, wie wichtig die Funkstation ist.«
»Und wie komme ich ins Spiel?«
»Wir brauchen jemanden, der wie der Teufel reiten kann«, antwortete sein Vater, »und der den Kaffern einen gehörigen Schrecken einjagt. Jemand, der nicht zu unseren Polizeitruppen gehört, sondern jemand, den sie noch nie gesehen haben. Sie sollen solche Angst bekommen, dass sie künftig unsere Bahngleise meiden wie der Teufel das Weihwasser.«
»Und wie soll das gehen?«
»Eigentlich wollte ich es dir erst später in Ruhe erklären«, antwortete der Freiherr seufzend. »Aber nun gut, jetzt scheint der geeignete Zeitpunkt gekommen zu sein. Habe ich dir schon mal von den Fetischpriestern erzählt?«
Wilhelm verneinte.
»Das sind die wirklich mächtigen Männer im Land, mächtigerals die Häuptlinge und Könige. Und mächtiger als wir. Sie sind die Medizinmänner, und sie behüten den Fetisch des Dorfes, das ist irgendein Gegenstand, der sie angeblich beschützt. Oft ist es ein Knochen oder der Schädel eines verstorbenen Priesters oder Häuptlings, gruselig verziert mit Schmuck, Federn und Bemalungen aus Blut. Er wird nur zu den heiligen Tänzen herausgeholt oder wenn ein Stamm in den Krieg zieht. Wenn dem Fetisch oder dem Fetischpriester etwas zustößt, bedeutet das den Untergang des Stammes.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«, fragte Wilhelm ungeduldig.
»Die Franzosen arbeiten mit den Bato zusammen.
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