Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
zwischen ihrer Freundin und einem schlafenden Säugling hin und her, den diese im Arm hielt.
»Das«, stammelte sie nach einer Weile und deutete auf das Baby, »das war also deine Unpässlichkeit? Du hast …« Wieder schlug sie die Hand vor den Mund, dann trat sie dicht an das Kind heran und berührte es mit einem Finger.
»Das ist unsere Luise«, sagte Helene Bechstein beinahe förmlich. »Ja, sie war es, die mich in den letzten Wochen ans Bett gefesselt hat. Aber jetzt ist alles überstanden, und sie ist da. Und wir auch! Was sagst du?«
Helène von Schwemer sagte erst einmal gar nichts. Als alle sich in den Salon begeben, die junge Mutter und das Kind auf einem Stuhl Platz genommen hatten und man im Halbkreis um sie herumstand, war es der Freiherr, der sich zu Wort meldete. »Luise! Champagner!«, rief er und klatschte in die Hände. Das Baby erschrak und begann leise zu wimmern. »Ich hab es die ganze Zeit geahnt, das ihr etwas im Schilde führt«, fuhr er fort, »und jetzt ist euch der Coup des Jahres gelungen! Ach, was sage ich: der Coup des Jahrhunderts! Damit hat wirklich keiner gerechnet.« Er ergriff die Hand der jungen Mutter, küsste sie überschwänglich und drückte dann Edwin Bechstein lange die Hand. »Ich bin völlig überrumpelt! Wirklich überrumpelt. Wo bleibt der Champagner?«
Sophie, die Haushälterin, näherte sich mit einem Tablett. »Wo ist Luise?«, fragte der Freiherr irritiert, »ich hatte nach ihr gerufen.«
»Sie ist in der Küche beschäftigt«, antwortete Sophie und stellte das Tablett auf dem Tisch ab.
»Na, auch gut«, antwortete der Freiherr, »dann kann sie wenigstens nichts verschütten. Sie scheint etwas geschwächt gewesen zu sein in den letzten Wochen.«
Elisabeth ging in die Küche. Dort war niemand. Eilig lief sie die Treppen hinauf zur Kammer des Hausmädchens. Die Tür war offen, Luise stand am Fenster, Elisabeth trat hinter sie. »Ich wusste nicht, dass sie das Kind mitbringen würden«, sagte sie. »Es sollte wohl eine Überraschung sein. Und die ist ihnen ja auch gelungen …«
»Haben Sie sie gesehen?«, fragte Luise. »Sieht sie noch so aus wie zuletzt?«
Elisabeth nickte. »Sie sieht wunderbar aus.«
»Warum haben sie ihr diesen Namen gegeben?«
»Ich weiß es nicht. Möchtest du lieber nach Hause gehen? Ich sage den Herrschaften, dass es dir nicht gutgeht …«
Luise schüttelte den Kopf. »Machen Sie sich keine Sorgen, es geht mir gut. Ich komme sofort wieder runter. Es war nur der erste Schreck.«
»Du kannst mir jederzeit Bescheid geben, wenn du es dir anders überlegst.«
»Ist schon gut!«, sagte Luise heftig. »Es ist alles gut.«
Auf dem Weg zurück zu den Gästen hörte Elisabeth Stimmen aus dem Zimmer der Brüder. Sie klopfte und trat ein. Wilhelm und Robert von Trenck standen mit Adalbert und Karl am Tisch und bewunderten die neuen Zinnsoldaten, die die Jungen zu Weihnachten bekommen und in Schlachtordnung aufgestellt hatten. Robert strahlte Elisabeth an und trat auf sie zu. Bevor er etwas sagen konnte, nickte sie Wilhelm zu und sagte: »Komm mal eben!«
Wilhelm sah sie fragend an und folgte ihr auf den Flur.
»Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Elisabeth leise, aber eindringlich.
»Mit wem?«
»Na, mit ihm, dem großen Häuptling! Er war lammfromm vorhin, hat mir den Aufenthalt in Hamburg ohne Bedingungen erlaubt, er will sogar alles finanzieren. Wie hast du das gemacht? Du warst das doch, oder?«
»Du hattest mich darum gebeten, oder?«, erwiderte Wilhelm.
»Ja, schon, aber wie – wie hast du ihn dazu gekriegt?«
Wilhelm lauschte nach unten, Stimmengewirr drang zu ihnen herauf. »Ich glaube, es sind weitere Gäste eingetroffen, wir sollten hinuntergehen. Und: Sei ein wenig freundlicher zu Robert. Er ist schließlich ein alter Freund der Familie.«
»Und ich bin eine gute Partie«, gab Elisabeth zurück, »das hast du ja gehört vorhin. Der Häuptling will seine Tochter verhökern …«
Doch dann gab sie sich einen Ruck und bat Robert, sie nach unten zu begleiten. Strahlend bot er ihr seinen Arm an.
Das Fest erreichte seinen Höhepunkt, als Georg von Hülsen eintraf, der Zeremonienmeister des kaiserlichen Hofes. Der Freiherr platzte schier vor Stolz, als er aus Hülsens Hand die Grüße und besten Wünsche des Kaisers entgegennahm, der in einem kurzen Schreiben seine Hoffnung ausdrückte, dass die Unannehmlichkeiten in den afrikanischen Kolonien bald aus der Welt geschafft sein würden. Er baue auf das diplomatische Geschick
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