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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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beigetragen, ich hatte gar keine Gelegenheit dazu«, antwortete Helène. »Sie haben doch selbst erlebt, wie kurz unsere Unterredung in diesem Kellerloch war. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich für die Deutschen ebenfalls suspekt bin. Ich bin Französin.«
    Printemps nickte. »Und Sie haben meiner Tochter gesagt, dass ich noch lebe. Dafür danke ich Ihnen.«
    »Gesagt habe ich gar nichts. Aber – woher wissen Sie, dass ich sie gesehen habe?«
    »Sie hat es mir erzählt.«
    »Weshalb sind Sie hergekommen?«
    Er wiegte den Kopf, als müsse er seine Worte genau abwägen. »Sie müssen wissen: Es wird hier nicht mehr lange ruhig bleiben.« Er deutete aus dem Fenster. »Diesen Wein dort werden wir wohl nicht ernten. Dafür sind die Dinge bereits viel zu weit gediehen.«
    »Welche Dinge?«
    »Madame, ich möchte nicht unhöflich sein, aber: Informieren Sie sich nicht über das, was geschieht? Die Deutschen haben Millionen Männer unter Waffen, die Franzosen ebenfalls. Es gilt eine alte Rechnung zu begleichen, eine uralte. Keiner weiß mehr, wann es angefangen hat, aber alle wissen, dass es weitergehen wird. Und alle wollen es. Leider liegt dieser schöne Ort genau dort« – er vollführte eine ausladende Armbewegung zum Fenster –, »wo sich ihre Wege kreuzen werden. Da wird kein Grashalm stehenbleiben. Es ist nicht aufzuhalten.«
    »Ihre Tochter …«
    »Machen Sie sich keine Sorgen um sie, es genügt, wenn ich das tue. Ich bin jetzt wieder draußen, und ein weiteres Mal kriegen sie mich nicht in ihren Rattenkeller. Ich kann meine Tochter beschützen. Aber um Ihnen das zu erzählen, bin ich nicht hier.«
    »Weshalb dann?«
    »Weil wir etwas gemeinsam haben, Sie und ich. Mir gefällt es nicht, dass meine Tochter sich an Ihren Sohn gebunden hat. Und Ihnen wird es vermutlich ebenfalls nicht gefallen, dass er meine Tochter …«
    »Wieso gebunden?«, fiel Helène ihm ins Wort. »Ich habe meinem Sohn ins Gewissen geredet, er hat sich sogar mit einer guten Partie verlobt. Er ist ein gewissenhafter Junge. Und außerdem ist er bei der Armee.«
    »Eine gute Partie!«, wiederholte Printemps und lächelte müde. »Sie wissen so gut wie ich, dass er alles tun würde, damit Sie zufrieden sind mit ihm. Aber wie es in seinem Inneren aussieht, das wissen Sie genau. Und ich weiß es auch. Ob Sie es glauben oder nicht: Ich mag Ihren Sohn. Und der Gedanke an die Zukunft, die unsere Kinder nicht haben, macht mich krank.«
    Er schwieg eine Weile. Helène sah ihn fragend an
    »Ich weiß, wo ich künftig stehen werde«, fuhr er dann leise fort, »und ich hoffe, Sie auch. Ich werde nicht wiederkommen, denn ich möchte Sie nicht in Gefahr bringen.«
    Er wandte sich zum Gehen. An der Tür blieb er noch einmal stehen. »Die Deutschen werden über die Vogesen kommen. Wir werden sie dort gebührend empfangen. Auf Wiedersehen, Madame.«
    Helene sollte ihn nie wiedersehen. Und die Deutschen kamen nicht über die Vogesen.

5 . Dinant
    Die Unterredung war kurz. Belgiens Militärattaché in Berlin war ins Außenministerium bestellt worden. Er war überrascht über die Betriebsamkeit, die dort zu so später Stunde herrschte. Es war 21 Uhr am 1. August 1914. Ihm und seinem Adjutanten saßen auf der anderen Seite des langen Konferenztisches ein Dutzend deutsche Ministerialbeamte gegenüber, die nervös in Akten blätterten. Der deutsche Außenminister Gottlieb von Jagow bat um Ruhe und eröffnete das Gespräch.
    »Der Besuch Ihres Königs vom letzten Herbst ist uns allen noch in bester Erinnerung«, sagte zu seinem belgischen Gast. »Ich bin sicher, das freundschaftliche Verhältnis unserer Völker wird es Seiner Majestät leicht machen, unserer Bitte zu entsprechen.«
    »Ich höre«, sagte der Attaché, straffte seine Haltung und fügte dann leicht pikiert hinzu: »Ich hatte Ihren Kaiser zu diesem Gespräch erwartet, von ihm bin ich einbestellt worden.«
    »Nun, ich bitte Sie, mit mir vorliebzunehmen«, antwortete von Jagow mit verbindlichstem Lächeln. »Seine Majestät führt gegenwärtig ein Telefongespräch mit dem Kaiser von Österreich, das sich nicht aufschieben ließ. Sie kennen die Ereignisse der letzten Tage, ich muss Ihnen nicht erklären, worum es geht. Was Sie jedoch vielleicht noch nicht wissen: Frankreich hat vor einer Stunde die Mobilmachung ausgerufen.«
    »Das ist mir zu Ohren gekommen«, erwiderte der Attaché, »und es war zu erwarten. Sie wissen so gut wie ich, dass Frankreich und Russland einen Beistandspakt haben. Und da

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