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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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Ihr Kaiser dem Zaren den Krieg erklärt hat, ist alles nur ganz logisch. Wenn Sie mir nun aber erklären könnten, was das mit meinem Land zu tun hat, wäre ich Ihnen sehr verbunden. Belgien ist ein neutrales Land, das hat seine Majestät Albert I. bei seinem von Ihnen erwähnten Besuch deutlich gemacht.«
    »Natürlich, natürlich! Niemand erwartet eine Parteinahme von ihm. Und wir hoffen nach wie vor, dass sich die Dinge am Endevielleicht doch noch diplomatisch regeln lassen. Wenngleich ein neuer Balkankrieg nach dem Attentat von Sarajewo sicherlich nicht mehr zu verhindern ist. Serbien wird dafür zahlen müssen, so viel steht fest.«
    »Noch einmal: Was hat das mit meinem Land zu tun? Warum hat man mich zu diesem Gespräch bestellt?«
    »Sie werden vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen verstehen, dass Deutschland sich auf eine mögliche militärische Auseinandersetzung mit Frankreich vorbereiten muss. Es würde uns dabei sehr helfen, eine Durchmarscherlaubnis durch Ihr Land zu erhalten. Natürlich kommt das Deutsche Reich für alle Kosten und eventuellen Schäden auf. Wir respektieren die Neutralität Belgiens in vollem Umfang.«
    Der Attaché lief rot an. »Ich kann Ihnen die Antwort jetzt schon mitteilen«, sagte er scharf und erhob sich.
    »Handeln Sie nicht voreilig, ich bitte Sie herzlich!«, sagte von Jagow und hob beschwichtigend eine Hand. »Wir geben Ihrer Regierung natürlich Zeit, darüber nachzudenken.«
    »Wie ich schon sagte, es gibt nichts nachzudenken. Das Königreich Belgien ist ein neutrales Land.«
    »Zwölf Stunden. In zwölf Stunden erwarten wir die Antwort Seiner Majestät.«
    »Ein Ultimatum?«, brauste der Attaché auf.
    »Ich bitte Sie, aber nein! Ein Gefallen unter Freunden, mehr erwarten wir nicht! Telegrafieren Sie uns bis morgen Vormittag um neun Ihre Antwort.«
    Von Jagow hatte sich nun ebenfalls erhoben zum Zeichen dafür, dass die Unterredung beendet war.
    »Ein Ultimatum!«, schnaubte der Attaché, nachdem er aus dem Gebäude gestürmt war und in seinem Wagen Platz genommen hatte. »Und was geschieht wohl danach?«
    Er sah seinen Adjutanten an, der resigniert die Schultern hob. »Wir werden mobil machen müssen«, antwortete er, »auch Neutralität will verteidigt sein, wenn sie ernst genommen werden will.«

G espenster
    »Es ist eine Kettenreaktion«, sagte Robert, nachdem die Reiterabteilung für eine kurze Rast abgestiegen war. Das erste Morgenlicht breitete sich über dem Himmel aus, man war in stockdunkler Nacht aufgebrochen und hatte die Kaserne Richtung Westen verlassen. »Wenn die erste Lunte gezündet ist, gehen die Raketen hoch, eine nach der anderen. Keiner kann sie dann mehr aufhalten, selbst die Feuerwerksmeister nicht, die sie zusammengeschnürt haben.«
    »Ja, ja«, antwortete Wilhelm, »du hättest Chemiker werden sollen. Darin warst du immer schon gut.«
    Am Abend zuvor hatten sich auf den Straßen rund um die Aachener Kaserne Tausende von Menschen versammelt, die immer wieder den Satz skandierten: »Ser-bi-en-muss-ster-bi-en!« Der Lärm hatte die Pferde unruhig werden lassen, der Aufbruch um Mitternacht war ohne nähere Erklärungen befohlen worden. Wilhelm und Robert saßen jetzt auf einem Weidezaun an einem Feldweg. »Ein Serbe erschießt den österreichischen Thronfolger«, fuhr Robert fort, »Österreich erklärt Serbien den Krieg, Deutschland tritt Österreich zur Seite, die Russen erklären Deutschland den Krieg, Deutschland den Russen, dann die Franzosen den Deutschen und die Deutschen den Franzosen. Das alles in zwei Tagen! Nun fehlen nur noch die Engländer, dann kann der Tanz losgehen.«
    »Er hat doch schon längst begonnen!«, mischte sich ein Infanterist ein, dessen Marschkolonne ebenfalls Rast eingelegt hatte. Er bot Wilhelm und Robert Zigaretten an. »Was glaubt ihr denn, was wir hier machen?«
    »Ruhig!«, sagte Wilhelm, »die Tiere sind nervös genug.«
    »Die Tiere? Denen ist es doch egal, wo es hingeht«, erwiderte der Soldat, nun aber mit gedämpfter Stimme. Er deutete den Feldweg entlang: »Nach Frankreich geht es hier zumindest nicht, um das zu wissen, brauche ich keinen Kompass. Wisst ihr, was da hinten liegt, da, wo es noch dunkel ist?«
    »Belgien«, erwiderte Robert, »da hinten schlummern friedlichin ihren Betten die Belgier, die netten. Oh, wie ich ihre Pralinen liebe!«
    Wilhelm entfernte sich einige Schritte und blickte nach Westen, wo sich langsam die ersten Gehöfte am Horizont abzeichneten. »Damit wirst du dir bald

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