Zeitenlos
Tom bei jedem seiner Besuch Bemerkungen fallen ließ wie »Und wo ist Weston? Aus diesem Jungen wird noch mal was!«, war auch nicht besonders hilfreich. Irgendwann musste ich ihm deshalb gestehen, dass wir nicht mehr zusammen waren. Meine Mutter goss ebenfalls Öl ins Feuer, da sie alle paar Tage wissen wollte, ob Wes angerufen hatte. Weil ich sie jedes Mal ein bisschen genervter anblickte, wenn sie mich das fragte, hörte sie irgendwann klugerweise damit auf, aber es war, als würde sein Schatten ständig zwischen uns stehen.
Ich musste dringend mal raus und brauchte unbedingt frische Luft. Deshalb fuhr ich eines Abends zum Aussichtspunkt. Es war mir egal, dass Wes und ich dort den Entschluss gefasst hatten, künftig zusammen zu sein. Die Aussicht war einmalig und beruhigte mich sofort.
Ich fuhr bis an den Rand, blieb im Wagen sitzen und überlegte, wie die Sache dermaßen außer Kontrolle hatte geraten können. Unsere Beziehung schien bis Neujahr perfekt. Ich hatte gedacht, wir seien so verliebt, dass ich bereit gewesen war, unsere Beziehung auf die nächste Stufe zu heben.
Vermutlich konnte ich noch von Glück reden. Er hätte in jener Nacht durchaus mit mir schlafen können, um mir dann anschließend den Laufpass zu geben. Vielleicht sollte ich sogar dankbar dafür sein, dass es nicht so gekommen war, aber ich war es nicht. Es machte das Ganze nur noch verwirrender. In jedem einzelnem Moment, den wir miteinander verbracht hatten, war er unendlich liebevoll gewesen, und dann war er gegangen, einfach so. Ich fühlte mich so unglaublich allein und kam aus diesem Loch nicht heraus.
Tief in Gedanken versunken starrte ich auf die Silhouette der Stadt, als auf einmal Scheinwerfer in meinem Rückspiegel auftauchten. Ich drehte mich um und sah einen Geländewagen abbiegen. Er parkte etwa zehn Meter entfernt und genauso nah am Rand wie ich. Es dauerte nicht lange, und ich hörte die lachenden Stimmen einiger Typen, die ausstiegen. Sie lehnten sich gegen die Motorhaube und rauchten. Zwar sah es nicht so aus, als hätten sie mich bemerkt, doch ich vergewisserte mich trotzdem, ob meine Türen verriegelt waren.
Als sie aufgeraucht hatten, stiegen sie wieder ein und fuhren rückwärts vom Parkplatz. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Kopfstütze und kehrte zu meinen früheren Gedanken zurück. In diesem Moment fuhr der Geländewagen auf mich zu und kam hinter mir zum Stehen. Ich war eingekeilt, der einzige Ausweg führte über die Klippe, was mich ausgesprochen nervös machte.
Der Fahrer ließ sein Fenster herunter. Gelächter war zu hören.
»Hallo. Wer bist du denn?«, fragte er grinsend.
Mein ganzer Körper verkrampfte sich. Bevor ich Hirn und Mund für eine passende Antwort koordinieren konnte, tauchten noch mehr Lichter auf. Dieses Mal hielt das Fahrzeug direkt neben mir, sodass mich seine Scheinwerfer blendeten. Voller Panik suchte ich nach meinem Handy.
»Da bist du ja«, sagte eine vertraute Stimme. Ich blickte auf und sah Wes an meiner Tür stehen, die Hände lässig in den Taschen.
»Die ist schon vergeben, lasst uns abhauen!«, hörte ich jemanden im Geländewagen sagen, bevor dieser losfuhr.
»Oh mein Gott, hast du mich erschreckt!«, sagte ich und legte eine Hand aufs Herz.
»Du bist hier draußen, allein, mitten in der Nacht, festgesetzt durch einen Wagen voller fremder Männer und ich habe dich erschreckt?«
»Du weißt, was ich meine.«
»Okay«, antwortete er und ging zu seinem Wagen zurück.
»Das war’s dann?«
»Das war’s«, bestätigte er.
»Danke«, erwiderte ich sarkastisch.
Er drehte sich um. »Du musst dich nicht bedanken. Fahr einfach nur nach Hause. Bitte.«
Aaargh! Ich fühlte den unwiderstehlichen Drang, laut zu schreien. Ich kochte vor Wut. Was war nur mit diesem Idioten los? Ich fuhr wütend nach Hause, und meine Wut wuchs im Laufe der Nacht noch. Ich war stinksauer, und um das Maß vollzumachen, konnte ich nicht schlafen, weil ich die ganze Zeit an ihn denken musste.
Am nächsten Morgen beschloss ich, zu ihm zu fahren und eine Erklärung für sein eigenartiges Verhalten zu verlangen. Es war mir völlig egal, ob ich ihn in die Enge trieb oder nicht. Als ich bei ihm ankam, stand sein Wagen auf der Auffahrt. Er war also zu Hause.
Ich stieg aus und marschierte mit zusammengekniffenen Augen zur Haustür. Ich klopfte, so fest ich konnte. Es gab eine Klingel, aber ich zog es vor, zu klopfen – zum einen, weil ich damit überschüssige Energie loswerden konnte, zum anderen, um ihn
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