Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
hatte. Irgendwas war an diesem Einsatz völlig anders als sonst, doch die äußere Umgebung war dabei nur ein Teil des Unterschieds.
Sebastiano stand vom Bett auf und ging zur Tür. »Ich glaube, sie sind in einem von unseren Zimmern.«
»Was denn?«
»Josés Notizen. Wir sollten sie suchen.«
»Warte. Ich komme mit.« Ich rappelte mich hoch und folgte ihm nach nebenan in das Morgenzimmer. Er klappte die Lade des Sekretärs heraus und durchsuchte die vielen kleinen Fächer.
»Irgendwas gefunden?«, fragte ich, während ich in einer schmalen Wandkommode herumstöberte. Außer Kerzen und einem Stapel feiner weißer Taschentücher mit einem eingestickten Monogramm – A für Anne – entdeckte ich dort nichts.
»Büttenpapier«, sagte Sebastiano. »Schreibfedern, Tinte und Löschsand. Und ein Siegel mit unserem Wappen.«
Wir suchten im Herrenzimmer weiter. Sebastiano nahm sich den Schreibtisch vor, ich sah in den Bücherschränken nach.
»Hier ist nichts«, meinte er entnervt. »Nur Schreibzeug und jede Menge Journale über Reitpferde und Schiffe und französische Herrenmode.« Er öffnete ein Seitenfach. »Ah, und eine Karaffe mit ziemlich edel aussehendem Sherry. Mitsamt Gläsern.«
»Ich habe hier eine komplette Ausgabe der Encyclopædia Britannica .« Ehrfürchtig nahm ich einen der dicken Bände heraus und strich darüber. »Mit Goldschnitt.« Neugierig betrachtete ich anschließend die anderen Bücher in den darunterliegenden Schrankfächern und zog dann eines der Werke hervor.
»Unglaublich! Sieh dir das an!« Aufgeregt hielt ich das aufgeschlagene Buch hoch. »Das ist eine Erstausgabe ! Es ist dieses Jahr erschienen! Ich fasse es nicht!« Inbrünstig drückte ich den Roman an die Brust, dann hielt ich ihn mir vor die Nase und atmete den Geruch des Papiers ein. Ich fand, dass es sogar noch nach der Druckerschwärze roch, mit der diese kostbare Rarität zwischen Buchdeckeln verewigt worden war. Mir stiegen Tränen in die Augen, als ich daran dachte, wie sehr die Autorin darum gekämpft hatte, den Roman auf den Markt zu bringen. Wie viele Jahre sie hatte warten müssen, bis er endlich verlegt worden war, und das trotz dieser unvergesslich schönen Geschichte!
»Von wem ist es?«, wollte Sebastiano wissen. Er hatte uns zwei Gläser Sherry eingeschenkt und betrachtete mich mit liebevoller Nachsicht. »Warte, sag es nicht, lass mich raten. Jane Austen.«
Ich nickte begeistert. » Stolz und Vorurteil ! Da fällt einem nichts mehr ein, oder?« Euphorisch fing ich an zu blättern.
Er kam zu mir herüber, drückte mir ein Sherryglas in die Hand, umfasste mein Kinn und gab mir einen sanften Kuss. »Habe ich dir schon gesagt, dass du ziemlich einzigartig bist?«
Ich nippte vorsichtig an dem Sherry. »Ist das eine Umschreibung dafür, dass ich ein Freak bin, weil ich mehr auf alte Bücher stehe als auf Klamotten und Schuhe?«
»Nein, das sollte heißen, dass du zum Anbeißen aussiehst, wenn du dich über ein Buch freust. Dieser Anblick ist kaum zu toppen, ehrlich.«
»Du hast mich noch nicht in den Dessous gesehen, die ich in meinem Kleiderkabinett vermute.«
»Das können wir gleich nachholen«, schlug er prompt vor.
»Vergiss nicht, wir sind hier Bruder und Schwester, und das Haus hat garantiert Augen und Ohren.«
»Die Fitzjohns wohnen unterm Dach und kommen nur, wenn wir läuten«, rief Sebastiano mir in Erinnerung. »Und sie benutzen die Dienstbotentreppe.« Er drückte seine Lippen auf eine empfindliche Stelle unter meinem rechten Ohr. »Ich könnte nachsehen, was in meinem Kleiderkabinett so an Herrenunterwäsche herumliegt. Dann können wir eine kleine Modenschau bei Kerzenlicht veranstalten.«
»Hm«, machte ich zerstreut. »Sieh dir das an!«, fuhr ich dann entrüstet fort. »Auf dem Titelblatt steht nicht mal ihr Name! Bloß ›Von der Autorin von Verstand und Gefühl‹. Das war Jane Austens zuerst erschienenes Buch. Doch Stolz und Vorurteil hatte sie vorher geschrieben. Es wurde erst gedruckt, als sie mit Verstand und Gefühl berühmt geworden war.«
»Ja, das Leben ist manchmal ungerecht, auch zu Erfolgsautoren. Aber so oder so, Mr Darcy hat doch noch das Licht der Welt erblickt und zweihundert Jahre lang Millionen von Frauenherzen zum Schmelzen gebracht.« Sebastiano küsste mich erneut, diesmal nachdrücklicher. »Was hältst du von meiner Idee?« Er war ins Italienische verfallen, was mich schon immer schwach gemacht hatte. Wenn wir uns unterhielten, wechselten wir oft nahtlos zwischen
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