Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
ungewöhnliche Marotte, doch ich finde es akzeptabler als beispielsweise Stehlen oder Trinken oder dem Hausherrn schöne Augen zu machen. Was meinst du?«
»Natürlich«, stimmte ich zu, als sei es absolut üblich, dass Zofen solche Dinge taten.
»Du solltest dir von ihr auch die Haare herrichten lassen«, riet Iphigenia mir. »Sie ist eine Meisterin im Frisieren. Und dieser Zopf – gewiss, er kleidet dich gut, aber du siehst damit ein wenig zu sehr wie ein Schulmädchen aus, kaum älter als vierzehn. Und dabei bist du sicher schon siebzehn.«
»Eigentlich werde ich schon einundzwanzig«, gab ich zu.
Iphigenia schlug bestürzt die elegant behandschuhten Hände zusammen. »So alt schon! Und noch nicht in die Gesellschaft eingeführt! Was für ein entsetzliches Versäumnis!« Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß ja nicht, wie die Sitten in den Westindischen Kolonien sind, doch hier in England gilt ein Mädchen über zwanzig, das noch nicht in die Gesellschaft eingeführt ist, als schwierig zu vermitteln.«
»Wohin zu vermitteln?«
Sie kicherte. »An einen Ehemann natürlich! Mein liebes Kind, deshalb seid ihr doch nach England gekommen! Weil du überreif bist für den Heiratsmarkt!« Wieder runzelte sie die Stirn. »Wir müssen zusehen, dass du den nächsten Ball bei Almack’s besuchst, sonst verlierst du noch mehr Zeit. Mit zwanzig bist du an der Grenze zur alten Jungfer, das schmälert die Auswahl vielleicht ein wenig, aber auf der anderen Seite stammst du aus gutem Stall. Und du bist begütert. Es heißt, das Vermögen der Foscarys sei märchenhaft. Natürlich werden wir darauf achten müssen, dass du nicht auf einen Mitgiftjäger hereinfällst, doch in dem Punkt kannst du mir vertrauen. Als deine nächste weibliche Verwandte werde ich ein Auge darauf haben, dass nur die passendsten Bewerber bei dir vorsprechen. Und du selbst musst nur wenige Regeln beachten, damit sogar die begehrtesten Junggesellen Londons dich für eine glänzende Partie halten.«
»Ich kann mir ja von Bridget die Haare machen lassen.«
Das hatte ich als Scherz gemeint, aber Iphigenia nickte zustimmend. »Ganz recht. Dein Äußeres muss zu allen Anlässen en vogue sein, es muss immer der neuesten Mode entsprechen. In dem Punkt ist auf Bridget Verlass. Nun ja, und auch auf mich, denn wie du zugeben musst, hatte ich bei der Auswahl deiner Garderobe eine gute Hand. Und was deine Konversation angeht, so musst du nur auf eines achten – nicht wie ein Blaustrumpf zu wirken.«
»Was ist ein Blaustrumpf?«
»Ach, kennt man dieses Wort auf Barbados nicht? Nun, ein Blaustrumpf ist ein Mädchen, das allzu viel Vergnügen am Lesen findet. Wenn eine junge Frau lieber über Büchern sitzt statt sich hübsch zu machen, ist sie gesellschaftlich so gut wie erledigt. Männer mögen keine Blaustrümpfe.«
»Das muss ich mir merken.« Ich war wirklich dankbar für diesen Tipp, denn die Vorstellung, dass irgendwelche Junggesellen mich für eine glänzende Partie halten konnten, hatte mich für einen Augenblick nervös gemacht. Jetzt wusste ich wenigstens, wie ich mir die passendsten Bewerber vom Hals halten konnte: Ich würde ihnen einfach von meinen Lieblingsbüchern erzählen.
Iphigenia hakte sich freundschaftlich unter, und gemeinsam gingen wir nach draußen, wo schon ihre Kutsche wartete, ein flotter kleiner Zweisitzer mit rot lackierten Rädern. Iphigenia verriet mir, dass dies das Äußerste an Extravaganz sei, denn zu viel Farbe sei vulgär. Anscheinend war sie in allen Fragen des guten Geschmacks bewandert, denn während ihr Diener uns in Richtung Hyde Park kutschierte, machte sie mich ständig auf alle möglichen Leute aufmerksam, die ihrer Meinung nach schlecht angezogen oder gesellschaftliche Nieten waren.
»Die Frau da drüben in dem Landauer ist Harriet Witchcombe, eine schreckliche Person. Siehst du diesen Schal? Ist er nicht grässlich? Aber ihr Geruch ist noch schlimmer. Man darf ihr nicht zu nahe kommen, sonst erstickt man an ihrem Parfüm.«
Eine Ecke weiter: »Der Mann auf dem Rappen dort ist Lord Wrexham. Vor dem musst du dich hüten, er hat letztes Jahr sein ganzes Geld beim Pharo verloren und sucht jetzt nach einer reichen Erbin, die er einwickeln kann. Ein reizender Charmeur und schneidiger Reiter, doch nichts für dich.«
Kurz vor dem Eingang des Parks: »Siehst du die Dicke da in dem schaukelnden Gig, der uns gerade entgegenkommt? Das ist eine der Patronessen vom Almack’s. Die Frau ist unfassbar eingebildet und dabei dumm
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