Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
ja vor allem einem Zweck diente, nämlich möglichst glaubwürdig als steinreiche, adlige Lady daherzukommen. Mit anderen Worten, ohne Zofe ging es nicht. Wenn Sebastiano einen Kammerdiener hatte, musste ich eine Zofe haben, so einfach war das.
»Sie können Bridget zu mir heraufschicken«, sagte ich. »In mein Morgenzimmer«, setzte ich hoheitsvoll hinzu.
Mrs Fitzjohn neigte den Kopf, wobei sich nicht ein einziger Zipfel an ihrer gestärkten Haube bewegte, dann glitt sie mit raschelnden Röcken in Richtung Treppe davon.
Sebastiano war mitsamt dem Shakespeare-Band in seinem Zimmer verschwunden. Ich hatte dabei nur einen kurzen Blick auf seinen Kammerdiener Meeks erhascht, der ihn dort in Empfang genommen hatte – ein geschniegelter Typ in grau-schwarz gestreifter Livree.
Im Morgenzimmer setzte ich mich mit einer Ausgabe von Verstand und Gefühl in einen Sessel und versuchte zu lesen, doch ich konnte mich nicht richtig konzentrieren, weil ich ständig an das zerstörte Tor in Spitalfields denken musste. Und an Mr Scotts Bemerkung, genauer gesagt, an Josés Bemerkung, die Mr Scott nur für uns wiederholt hatte: feindliche Mächte . Allein diese beiden Worte klangen so bedrohlich, dass es mir kalt über den Rücken lief.
Keine Frage, da hatte wieder jemand von den Alten die Hände im Spiel, was nichts Gutes erwarten ließ. Hoffentlich kam José bald zurück, durch welches Tor auch immer.
Schnell blätterte ich zu der Stelle vor, an der Edward Ferrars der schönen, aber verarmten Elinor Dashwood endlich einen Heiratsantrag macht. Ich kam gerade in romantische Stimmung, als ein Klopfen an der Tür mich beim Lesen störte.
Mrs Fitzjohn führte eine junge Frau herein.
»Das ist die Zofe Bridget, Mylady.«
Bridget war ungefähr fünfundzwanzig und sah aus wie ein pausbäckiger Rauschgoldengel. Sie war in schlichtes Braun gekleidet, aber sie hätte trotzdem gut Werbung für Weihnachtsplätzchen oder Mozartkugeln machen können. Unter ihrem Hut quollen helle Löckchen hervor, und ihr hübsches Gesicht wies eine frische rosige Farbe auf, die garantiert nicht aus dem Schminktopf stammte. Um die Mitte rum hatte sie ein paar Kilo zu viel, sie wirkte wie jemand, der eine Menge vom Essen hielt und auch sonst Spaß am Leben hatte.
Im Moment sah sie allerdings nicht aus, als hätte sie Spaß, im Gegenteil – ein besorgter Ausdruck stand in ihrem runden Engelsgesicht.
»Soll ich für Bridget unterm Dach ein Zimmer vorbereiten lassen?«, erkundigte sich Mrs Fitzjohn.
»Ja, das wäre sehr nett«, stimmte ich zu. Ich war erleichtert, als sie mit ihrem Raschelkleid verschwand. Irgendetwas an Mrs Fitzjohn machte mich nervös. Ob es an ihrem leidenden Gesichtsausdruck oder ihrer steifen Haltung lag, war schwer zu sagen, doch ich hatte in ihrer Gegenwart ständig das Gefühl, sie auszubeuten. Es lag mir einfach nicht, Dienstboten unter mir zu haben, schon gar nicht so viele. Wenn man alle Leute zusammenzählte, die mir hier im Haus schon über den Weg gelaufen oder im Gespräch erwähnt worden waren, kam locker ein Dutzend zusammen.
Und jetzt hatte ich auch noch eine Zofe. Ich überlegte gerade, was ich zu ihr sagen sollte, da merkte ich, dass sie vor sich hin flüsterte.
»Sie wird mich hinauswerfen«, murmelte sie. »Und dann sitze ich auf der Straße und muss meinen Körper verkaufen. Im Winter wird mich nur der Gin wärmen.«
»Wie bitte?«
Bridget zuckte zusammen und sah mich aus erschrockenen blauen Augen an. »Nichts.«
»Doch, du hast gerade mit dir selbst geredet.«
Sie lief knallrot an. »Es tut mir leid, Mylady! Es ist wie ein unseliger Zwang, den ich manchmal nicht niederkämpfen kann! Es überfällt mich einfach, ich bin machtlos dagegen. Aber eins schwöre ich Ihnen: Ich gebe mein Bestes, um es im Zaum zu halten!« Verzweifelt trat sie einen Schritt vor und machte einen tiefen Knicks. »Ich bin eine gute Zofe!«
»Das glaube ich dir ja.« Großmütig fügte ich hinzu: »Meinetwegen kannst du auch mit dir selber reden. Manchmal mache ich das auch.«
»Wirklich?«
»Natürlich. Jeder tut das.« Außer, wenn Leute dabei sind, fügte ich in Gedanken hinzu, sprach es aber nicht aus, denn ich hatte den Eindruck, dass sie ein echtes Problem damit hatte.
Sie lächelte mich sichtlich erleichtert an. »Sie sind so gütig, Mylady!«
»Bridget, ich muss dir etwas verraten. Ich hatte bisher noch keine richtige Zofe.« Als ich ihren ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte, fügte ich hastig hinzu: »Natürlich hatte
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