Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
unserer Reise in das Jahr 1813 recherchiert – war einer der größten Vergnügungsparks dieser Zeit. Der Anblick war zauberhaft. Von unzähligen bunten Lampions illuminiert, wirkte die Umgebung wie ein nächtliches Märchenland voller Glühwürmchen. Es gab zahlreiche kleine und große Pavillons, Freilichtbühnen und Imbissstände. Durch den Park führten lange Alleen, von denen schmale Pfade abzweigten – in Heckenlabyrinthe, lauschige Eckchen mit Bänken oder romantische Laubengänge. Von den Tanzflächen tönten Musik und Gelächter. Ein Orchester spielte ein fröhliches Stück, und auf den Bretterbohlen führten mehrere Paare eine Art Reigentanz auf. Überall herrschte Gedränge, bestimmt waren mehr als tausend Leute im Park unterwegs.
»Zu Clevelys Pavillon geht es hier entlang.« Reginald nahm fürsorglich meinen Arm, während Iphigenia sich ungefragt bei Sebastiano einhängte. Wir schoben uns durch die Menschenmenge und gelangten zu einem Arkadengang, der an einer Art Séparées vorbeiführte. Vor einem von ihnen blieb Reginald stehen und wartete, bis Iphy und Sebastiano aufgeholt hatten.
»Hier ist es.«
Ein Diener öffnete uns die Tür, und von drinnen schallte uns der Lärm einer fröhlichen Unterhaltung entgegen, untermalt vom Gefiedel eines Streichterzetts. Es waren etwa ein Dutzend Leute anwesend, die um einen langen Tisch saßen und sich angeregt unterhielten. Aus einem Hinterzimmer schleppten Diener das Essen für die Gäste heran.
»Iphy! Reggie, du fabelhafter Beau! Und meine liebe, bezaubernde Lady Anne!« Mit einer für seine rundliche Gestalt erstaunlichen Behändigkeit kam der Earl auf uns zu und beglückte mich mit einem ausgiebigen Handkuss. Dann klopfte er Sebastiano jovial auf die Schulter. »Und das muss der Bruder sein. Foscary, stimmt’s?«
»Ganz recht, Euer Gnaden. Meine Schwester und ich danken Ihnen für die Einladung.« Sebastiano musste nicht schreien, um verstanden zu werden. Er verlieh seinem sonoren Bariton lediglich ausreichendes Volumen und verbeugte sich mit elegant zur Seite geneigtem Kopf. Leider wurde die beeindruckende Wirkung etwas dadurch beeinträchtigt, dass Iphy immer noch an seinem Arm hing und ihn anschmachtete wie einen Millionenjackpot.
Reginald beugte sich zu mir, bis seine Lippen fast mein Ohr berührten. »Ein schönes Paar, nicht wahr?«
»Oh … äh, ja«, gab ich lahm zurück.
»Sie ist schon so lange allein«, verriet Reginald mir. Ein versonnenes Lächeln stand auf seinem hübschen Ken-Gesicht. »Eine Frau wie sie sollte nicht auf Dauer unverheiratet bleiben. Sie kann einem Mann viel bieten. Natürlich ist sie nicht reich, aber von glänzender Herkunft. Sie hat ein respektables Auskommen und verkehrt in den höchsten Kreisen. Und das Wichtigste für eine Frau: Ihr Ruf ist untadlig, ihr Ansehen makellos.«
Es kam mir fast so vor, als wollte Reginald mir Iphy als künftige Schwägerin schmackhaft machen. Anscheinend nahm er seine Rolle innerhalb der Familie sehr ernst. Seine nächsten Worte bestätigten meine Annahme.
»Da ihr Vater nicht mehr lebt und sie auch keine Brüder hat, sehe ich mich als ihr Cousin in der Verantwortung, meine schützende Hand über sie zu halten. Seit dem Tod ihres Gatten haben schon viele Bewerber um ihre Hand gebeten, aber Iphy ist sehr wählerisch. Für deinen Bruder scheint sie jedoch ein Tendre zu haben.«
»Das kommt mir auch so vor«, sagte ich mit schmalen Augen. Gerade ließ Iphy sich von Sebastiano den Stuhl zurechtrücken und nahm mit anmutig gerafftem Kleid darauf Platz, wobei sie es so eingerichtet hatte, dass er sich neben sie setzen musste, weil kein anderer Stuhl in der Nähe frei war. Reginald und ich landeten irgendwie am Ende des Tisches, wo George am Kopfende thronte und nach allen Seiten Bemerkungen verteilte, die mein Trommelfell höchster Belastung aussetzten.
Er hatte uns den übrigen Gästen vorgestellt, und ein paar von ihnen hatte ich wiedererkannt, von der Ausfahrt durch den Hyde Park. Iphigenia hatte erzählt, dass sich im Großen und Ganzen immer dieselben Leute zu solchen Partys zusammenfanden, mal mehr, mal weniger von ihnen. Die meisten waren jung, teuer angezogen und auf der Suche nach Spaß. Natürlich nur im Rahmen des Erlaubten, das war nicht zu übersehen. Es wurde geflirtet, aber in Maßen. Die Männer benahmen sich wie Gentlemen und schnitten den Ladys das Fleisch klein, und die Frauen setzten ihre ausgeklappten Fächer und Wimpern ein. Davon abgesehen, verhielten sich alle
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