Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
wie ich, dass die Alten in all unseren wirklich schweren Fällen bisher immer Handlanger hatten. Er könnte einer sein.«
Ich schluckte, denn daran erinnerte ich mich nur zu deutlich. Einige dieser Handlanger hatten mir bereits nach dem Leben getrachtet.
»Ich habe den Kerl übrigens während des Boxkampfs kennengelernt«, erzählte Sebastiano.
»Den Earl?«
»Nein, der war ja hier bei dir. Ich meine den Prinzregenten, Reginald hat mich ihm vorgestellt.«
»Und, wie ist er so?«
»Dicker Typ, der mit Geld nur so um sich wirft. Er hatte bei dem Boxkampf eine so hohe Wette laufen, dass es allen die Sprache verschlagen hat, und als er sie verlor, hat er nur gelacht. Ziemlich blutige Sache übrigens, der Boxkampf. Eher so was wie in Fight Club . Von Mundschutz und Boxhandschuhen haben die hier noch nichts gehört.«
»Was machen wir jetzt als Nächstes?«, fragte ich.
»Ich wüsste was.« Er zog mich in seine Arme und küsste mich. Ich schmiegte mich an ihn, und eine Weile kamen wir nicht zum Reden. Anschließend meinte ich seufzend: »Eigentlich meinte ich, was wir als Nächstes in unserem Fall unternehmen.«
»Den Earl checken. Wir fühlen dem Kerl heute Abend in seinem Supper Room auf den Zahn.«
Iphigenia und Reginald holten uns mit Reginalds prachtvoller Equipage ab. Sie kamen ziemlich spät, erst um zehn, aber laut Iphy war das eine absolut normale Uhrzeit zum Ausgehen. Bridget hatte es sich nicht nehmen lassen, mich ausgiebig auf Vordermann zu bringen. Sie war mindestens eine Stunde um mich herumgetänzelt, hatte gezupft und drapiert und frisiert und dabei ausnahmsweise so gut wie keine Selbstgespräche geführt. Abgesehen von dem einen Mal, als sie meinte: »Das Kleid steht ihr wirklich gut, man sieht überhaupt nicht, dass ihr Gesäß etwas zu füllig ist.«
Ich trug ein apricotfarbenes Musselinkleid mit schmalem Rüschenkragen, und Ton in Ton dazu passend einen dünnen Seidenmantel, der im Kerzenlicht schimmerte. Bridget hatte mir wieder eine Jane-Austen-Frisur mit Schläfenlöckchen verpasst und oben auf dem Haarknoten ein neckisches kleines Etwas von Hütchen drapiert, von dem ein paar Federn und Tüllbänder herabhingen. Die Maske hatte ich mir kurz vor dem Aufbruch praktischerweise dicht über dem Knie ums Bein gebunden. Dort trug sie nicht auf und war praktisch unsichtbar.
Sebastiano sah ebenfalls ravissant aus (inzwischen hatte ich dank der Enzyklopæedia in Erfahrung gebracht, dass das hinreißend bedeutete). Er trug einen glänzenden Zylinder, spiegelblanke Stulpenstiefel, einen doppelreihig geknöpften Mantel in Rehbraun und dazu einen Halstuchknoten, der nach stundenlanger Arbeit aussah und laut Meeks Oriental hieß.
Wie sich herausstellte, waren Iphigenia und Reginald noch eine Spur mondäner gekleidet als wir. Iphy, ganz in edlem Malvenrosé, trug eine Menge Schmuck (ich hatte mich noch nicht an die Schatulle von Rothschild & Sons herangetraut), und Reginald war geradezu das Musterbeispiel eines Dandys. Allerdings war er nicht so geckenhaft gekleidet wie der Earl, sondern sehr geschmackvoll, mit einer engen grauen Hose, schmalen schwarzen Schuhen, einer dezent gemusterten Weste und einer Art Überwurf mit mehreren Schulterkragen.
Während der Fahrt unterhielten wir uns auf unverfänglich nette Art, und ich versuchte dabei zu ignorieren, dass Reginald ständig mit seinem Knie gegen meines stieß und dass Iphy angefangen hatte, Sebastiano nach allen Regeln der Kunst anzugraben.
Wir saßen den beiden gegenüber. Die Kutsche war zwar luxuriös ausgestattet, aber nicht besonders geräumig. Iphy wedelte ständig mit ihrem Fächer neckisch über ihrem ziemlich offen zur Schau getragenen Dekolleté hin und her, damit Sebastiano auch ja auf ihre C-Körbchen aufmerksam wurde. Einmal legte sie wie aus Versehen ihre Hand auf sein Knie und warf fröhlich lachend den Kopf zurück, als wäre der laue Witz, den er gerade über irgendetwas gemacht hatte, der Brüller der Saison. In Wahrheit wollte sie natürlich nur ihren schönen weißen Hals zur Geltung bringen. Ich war froh, als wir endlich am Ufer der Themse anhielten.
Wir überquerten den Fluss mit einem Fährboot, und bevor wir auf der anderen Seite an dem von Laternen erleuchteten Kai anlegten, sah man schon die ganze funkelnde Pracht des Parks. Ich war so entzückt von dem Anblick, dass mich nicht mal Iphigenias Baggerversuche bei Sebastiano davon ablenken konnten. Oder sagen wir: kaum.
Vauxhall Gardens – so viel hatte ich schon vor
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