Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
eine Art Maskottchen. Die habe ich immer bei mir. Die Brillanten sind hier in der Gürteltasche.«
»Könntest du sie mir mal zeigen? Ich wollte schon immer mal richtige Brillanten sehen.«
Ich nahm die Schatulle aus der Gürteltasche und klappte sie auf. Gaston zupfte das Collier aus der mit Samt umkleideten Halterung und hielt es hoch. Sogar im Mondlicht war zu sehen, wie die Brillanten funkelten.
»Wahnsinn«, sagte Gaston ehrfürchtig. »So was Schönes habe ich noch nie gesehen. Ich möchte nicht wissen, was diese Klunker kosten.«
Ich sagte es ihm, und er nickte nachdenklich. »Ungefähr so viel, wie ich dachte. Genug, dass unsereiner bis ans Ende aller Tage prima davon leben könnte.«
»Wieso bist du überhaupt mitten in der Nacht hier?«, fragte ich.
»Ich habe in der Nähe des Pfandhauses darauf gewartet, dass das Collier abgeholt wird.«
Verwirrt blickte ich ihn an. »Ich verstehe nicht …«
»Ich habe auf deinen Wunsch hin den Herzog überwachen lassen und auf diese Weise mitgekriegt, dass er die Brillanten versetzt hat. Danach war klar, dass Marie de Chevreuse die Brillanten auslöst. Sie ist die beste Freundin der Königin und hat jede Menge Kohle.« Gaston schüttelte den Kopf. »Manche haben ja so ein unverschämtes Glück. In ihrem früheren Leben war sie eine harmlose kleine Moderedakteurin. Was für ein kometenhafter Aufstieg!« Er seufzte, als wäre ihm die ganze Sache unbegreiflich. Dann fuhr er sachlich fort: »Als du wieder aus dem Pfandhaus kamst, bin ich dir gefolgt, aber du warst leider schneller. Allerdings auch dümmer. Während du dich in diversen Verstecken aufgehalten hast, bin ich kurzerhand schon mal über den Fluss zurückgegangen, denn ich wusste ja, dass du auch wieder rüber musstest. Also habe ich hier auf dich gewartet.«
In aller Seelenruhe steckte er das Collier ein.
Inzwischen hätte sogar ein kleines Kind begriffen, was los war. Ich hätte das Nackenjucken einfach besser zuordnen müssen. Verstört starrte ich ihn an. »Was soll das? Stehst du auf der Seite Richelieus?«
Gaston lachte verächtlich. »Was interessiert mich dieser unwichtige Trottel. Er ist nur eine Figur aus dem Geschichtsbuch.«
»Du willst die Brillanten für dich ?«, vergewisserte ich mich entgeistert.
»Ich sagte doch schon, dass ich bis ans Ende meiner Tage davon leben möchte.« Gastons Stimme klang belustigt. »Manchmal scheinst du etwas schwer von Begriff zu sein.«
»Gib sie sofort wieder her.«
Er lachte bloß. Ich achtete nicht auf meinen immer heftiger juckenden Nacken, sondern machte einen Schritt auf ihn zu und versuchte, in seine Tasche zu langen. Aber er packte meine Hände und hielt sie eisern fest. Im nächsten Moment fing er an, mich mit unnachgiebiger Gewalt auf die Brücke zu zerren.
»Was soll das? Lass mich los!«
»Tut mir leid, aber du würdest mir nur den ganzen Plan ruinieren.«
»Welchen Plan?«
»Glücklich und zufrieden mit den Brillanten nach Hause zurückzukehren und bis ans Ende meiner Tage davon zu leben.«
»Wir können darüber reden«, schlug ich vor, doch für ihn war die Zeit des Redens anscheinend vorbei. In stummer Verbissenheit zog er mich weiter, bis das Ufer mindestens ein Dutzend Schritte hinter mir lag. Ich versuchte, mich loszureißen, aber Gaston war überraschend stark und außerdem ungefähr doppelt so schwer wie ich, weshalb er mich trotz wütender Gegenwehr ohne große Mühe mit sich ziehen konnte. Ich war immer noch derartig fassungslos, dass sich erst jetzt die Erkenntnis in mir ausbreitete, was als Nächstes passieren würde. Er hatte allen Ernstes vor, mich umzubringen! Und er wollte es auf der Brücke erledigen, weil er meine Leiche dort hinterher am besten verschwinden lassen konnte.
Endlich besann ich mich auf meine Selbstverteidigungskünste. Schließlich hatte ich nicht nur einen Kurs in der Schule belegt, sondern letztes Jahr auch ein paar zusätzliche Griffe und Tritte von Sebastiano gelernt. Ich versuchte, Gaston mein Knie zwischen die Beine zu rammen (das wirkte immer und zuverlässig), doch er wich aus und riss mich gleichzeitig herum, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand, während er mich mit beiden Armen umklammerte und wie in einem Schraubstock gefangen hielt. Sein harter Griff presste mir sämtliche Luft aus den Lungen, ich hörte meine Rippen knacken. Instinktiv probierte ich, ihm mit der Ferse hart auf die Zehen zu treten (wirkte normalerweise auch sehr gut) und ihm gleichzeitig mit dem Hinterkopf einen wuchtigen
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