Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
einschüchternder Pracht. Überall brannten Kerzen in vielarmigen Leuchtern, ebenso in den enormen, vor ungezählten Kristalltropfen funkelnden Kronleuchtern, die von der Decke herabhingen und den Raum mit einem weichen Licht erfüllten. Kostbare Wandbehänge aus Seide boten einen stilechten Hintergrund für die großen Ölgemälde, unter denen ich ein waschechtes Bild von Rubens entdeckte. Ich blieb davor stehen und staunte. In ein paar hundert Jahren würden hier auch Gemälde anderer berühmter Meister hängen, denn aus dem Königspalast würde ein Museum werden, aber hier und heute fand ein rauschender Maskenball statt, und ich war mittendrin. Eine Gruppe von Musikern stand in der Ecke und spielte fröhlich auf. Die Gäste waren nach und nach eingetroffen und wurden gerade reihum von Dienern mit Getränken versorgt. Es waren reichlich über hundert Leute, die plaudernd und in lockeren Gruppen beisammenstanden, allesamt in ihren prächtigsten Outfits – und maskiert. In diesen früheren Jahrhunderten gehörte die Maske beim Adel zur angesagten Aufmachung auf Bällen, auch außerhalb des Karnevals.
Ich selbst hatte aus Sicherheitsgründen meine Katzenmaske auf, was zu einer kleinen Auseinandersetzung mit Marie geführt hatte. Ihr wäre es lieber gewesen, ich hätte die cremefarbene, perlenverzierte Maske angelegt, die sie extra passend zu meinem Kleid besorgt hatte. Doch ich hatte auf meiner Maske bestanden, mit der Begründung, ich hätte sie aus meiner alten Heimat mitgebracht und wollte sie als Andenken tragen – was ja irgendwie sogar stimmte. Marie verstand das seltsamerweise sofort und erhob keine weiteren Einwände.
Ich hatte das Gefühl, dass mir die Zeit davonlief. Seit unserer Ankunft war nicht viel passiert. Die erste Viertelstunde des Festes hatte ich nur damit verbracht, gemeinsam mit Opa Henri an Maries Rockzipfel zu kleben, mich von einem Grüppchen zum anderen schleppen zu lassen und dabei ständig in alle Richtungen zu starren. Die vielen Masken machten es fast unmöglich, bekannte Gesichter zu entdecken, ich musste mich extrem konzentrieren. Der König und die Königin waren jedenfalls noch nicht eingetroffen, und auch von Richelieu hatte ich noch keinen Zipfel gesehen. Dafür hatte ich ein paar Leute erkannt, denen ich schon auf anderen Gesellschaften begegnet war, etwa die Marquise de Rambouillet und ein paar von ihren Gästen. Auch diverse Besucher von Maries Party waren uns schon über den Weg gelaufen.
José und Sebastiano waren bisher nicht aufgetaucht, weshalb ich immer noch hoffte, dass José ihn mittlerweile aufgestöbert und ihm sein Gedächtnis zurückgegeben hatte. Von daher bestand zumindest eine kleine Chance, dass die Königin bereits wieder im Besitz des Colliers war. Sobald sie auf der Bildfläche erschien, hätte ich Gewissheit. Falls sie verschleiert kam, half nur noch Plan B. Für den es jedoch unverzichtbar war, dass der miese Verräter Gaston endlich aufkreuzte. Bis jetzt hatte ich ihn nirgends entdeckt.
Immerhin hatte ich Philippe und Cécile ein paarmal in der Menge gesehen. Sie hatten sich mit dem Geld, das ich ihnen gegeben hatte, für ihre heutige Rolle kostümiert und den Zeremonienmeister bestochen, damit er ihnen Zutritt zum Ball verschaffte. Insoweit lief alles nach Plan, aber sie hatten mir noch nicht das vereinbarte Zeichen gegeben. Also musste ich mich wohl oder übel gedulden, obwohl mir ganz schlecht war vor Aufregung und Sorge. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das große Bankett eröffnet wurde – in einem benachbarten Saal hatte man für die Gäste eine gewaltige Festtafel gedeckt. Wenn sich erst alle zum Essen hinsetzten, war es zu spät, denn spätestens dann müsste die Königin ihren Schleier abnehmen und wäre erledigt.
Die Leute um mich herum ergingen sich in belanglosem Small Talk. Hauptsächlich tratschten sie über andere Leute, die nicht anwesend waren und von denen ich noch nie was gehört hatte. Bis plötzlich ein Name fiel, den ich kannte.
»De Portes soll bei Nacht und Nebel die Stadt verlassen haben. Es geht das Gerücht, er habe sich mit Bouteville duellieren wollen, dann aber aus Feigheit lieber die Flucht ergriffen.«
»Wer sagt das?«, entfuhr es mir. »Etwa Bouteville?« Die erstaunten und herablassenden Blicke, die mich von allen Seiten trafen, ignorierte ich einfach. »Wenn er das behauptet, lügt er. De Portes hat sich dem Duell gestellt. Er war kein Feigling, sondern ein Ehrenmann.«
»Er war ?«, fragte eine Frau
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