Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
Ähnlichkeit mit manchen Dessous aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert. Ein korsagenähnliches Schnürleibchen, das ziemlich stramm saß, und als Slip eine Art Boxershorts mit Schleifchen und Rüschen. Alles sah sehr teuer aus. Auch die Seidenstrümpfe waren ein sündhafter Luxus, hauchdünn und cremefarben und oberhalb der Knie mit Bändern befestigt.
Dann musste ich mit geschlossenen Augen in das Kleid steigen. Ich spürte fließenden weichen Stoff und roch den zarten Duft von Blüten, während Minette an mir herumzupfte, diverse Häkchen schloss und alles zurechtrückte. Marie gab ein paar entzückte Ahs und Ohs von sich, woraus ich schloss, dass alles so aussah, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie fasste mich bei der Hand und zog mich ein paar Schritte weit vorwärts. »Noch nicht, noch nicht!«, rief sie. »Erst, wenn ich es sage!« Ihre Aufregung war ansteckend, ich fühlte mich wie Cinderella nach der Begegnung mit der guten Fee.
»Jetzt darfst du die Augen aufmachen.«
Ich tat es und starrte mich im Spiegel an, dann musste ich ein paarmal blinzeln, weil ich nur noch entfernte Ähnlichkeit mit mir selbst hatte und tatsächlich ein bisschen wie Cinderella aussah. Mein Gewand war aus weißer, silberdurchwirkter Seide. Am Oberkörper lag es eng an, und von der Taille abwärts wogte es in schimmernder Stofffülle um mich herum bis zum Boden. Die Ärmel umschlossen meine Arme eng bis zum Ellbogen und verwandelten sich ab dort in kleine Kunstwerke aus wasserfallartiger Spitze. Das zur Taille hin spitz zulaufende Oberteil war mit Perlmuttstickereien verziert. Trotzdem wirkte nichts an dem Kleid überladen – es war einfach nur traumhaft schön. Philippe hatte hier wirklich ein Meisterstück abgeliefert.
Aber auch Minette hatte fabelhafte Arbeit geleistet. Sie hatte mein Haar im griechischen Stil frisiert, mit Perlenschnüren und reichlich Lockengeriesel an den Seiten. Das Make-up hatte mich vollkommen verwandelt. Ich schminkte mich sonst nie besonders aufwendig, doch Minette hatte richtig in die Töpfe gegriffen. Eine bleiche Grundierung, reichlich Khol um die Augen und mit Henna gerötete Lippen – es war nicht gerade der Style für alle Tage, aber für eine große Abendparty genau passend.
»Gefällt es dir?«, fragte Marie.
Beeindruckt betrachtete ich mein Spiegelbild und nickte stumm.
»Mein neuer Schneider hat es genäht. Er hat seinen Entwurf gezeichnet und mir gezeigt, und ich war hingerissen davon. Ein wirklich sehr begabter junger Mann, der es bestimmt noch weit bringen wird.«
Ich drehte mich zu ihr um und musste erneut blinzeln, weil ihr Anblick mich umhaute. Im Vergleich mit ihr konnten alle mir bekannten Topmodels einpacken. Sie war von so strahlender, makelloser Schönheit, dass es einem den Atem verschlug. Ihr Gewand, eine traumhafte Kreation aus golddurchwirkter Seide, war ähnlich geschnitten wie meins, nur dass sie es viel besser ausfüllte und ihr Dekolleté deutlich mehr hermachte.
»Marie, du bist wunderschön«, sagte ich bewundernd. »Keiner wird dir auf dem Ball das Wasser reichen können.«
Sie wurde rot vor Freude, schüttelte aber den Kopf. »Die Königin wird wie immer die Schönste sein.«
Sofort löste sich meine gute Stimmung in nichts auf.
»Und was ist, wenn …« Wenn wir ihr die Brillanten nicht rechtzeitig beschaffen können , hatte ich sagen wollen, doch ich verstummte vorher, weil ich es lieber nicht beschreien wollte.
»Sie wird einen Schleier tragen«, sagte Marie. »Es wird also nicht gleich auffallen, dass sie das Collier nicht hat.«
»Dann schaffen wir es vielleicht doch noch rechtzeitig, es ihr zurückzugeben.«
Marie zuckte die Achseln und seufzte. »Wir wollen einfach das Beste hoffen.« Unvermittelt machte sie ein paar Tanzschritte und wirbelte mit rauschenden Röcken herum. »Genug davon. Wir sind noch gar nicht fertig! Schau dir die Schuhe an. Und diesen Fächer hier! Und die wundervollen bestickten Masken! Sind sie nicht ein Traum?«
Irgendwie verstrich die restliche Zeit, bis endlich die Kutsche vor dem Haus vorfuhr und wir zum königlichen Maskenball aufbrachen. Opa Henri bewunderte unsere Ballkleider und machte uns Komplimente, doch ich konnte mich nicht wirklich darüber freuen. Mir war ganz flau im Magen vor Anspannung, denn jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. An diesem Abend würde sich alles entscheiden.
Ehrfürchtig blickte ich mich in dem Ballsaal um. Er hatte riesenhafte Ausmaße, und die festlich herausgeputzte Umgebung war von
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